Siebenmal leben
Jonathan Littells neuer Roman wiederholt immer wieder aufs Neue die gleiche Sequenz.
Von Joseph Hanimann
Ein paar letzte Schwimmzüge, dann ein energischer Schwung aus dem Wasser auf den Beckenrand und die Figur steht wassertriefend vor uns. Kaum getrocknet und angekleidet, macht sie sich davon durch einen grauen Flur und verschwindet durch eine Tür in ihrer Lebenswelt: ein Haus mit Garten, ein Hotelzimmer, eine belebte Straße, ein Niemandsland. Und dies siebenmal nacheinander.
Siebenmal hintereinander folgen wir in diesem Buch demselben Ereignisablauf. Auftauchen aus dem Wasserbecken des Hallenbads, Losrennen durch einen Flur, Ankommen im Haus mit den zur Schlacht aufgestellten Bleisoldaten im Kinderzimmer, einer Katze, die um die Beine streicht, einer Reproduktion von Leonardos "Dame mit dem Hermelin" an der Wand, Musik "Don Giovannis" aus dem Salon. Und doch gelangt man jedes Mal in eine andere Geschichte. Mal ist die Erzählfigur ein Mann, mal eine Frau, mal ist sie älter, mal jünger. Mal befindet sie sich zu Hause sofort beim Liebesakt im Bett, mal im Ehekrach. Mal ist Krieg, mal Frieden.
Es ist in diesem Buch, als würde ein einziger Erzählstrang in ein Spektrum unterschiedlicher Fäden aufgedröselt. Ein festes Lebensmuster verrutscht zur offenen Kombinatorik, eine Figur läuft Stafette durch ihre möglichen Lebensläufe. Ein Roman macht sich zum Hologramm seiner selbst. Ist das nun ein literarisches Experiment? Ein Spiel mit den Formen in der Art Arno Schmidts oder Georges Perecs? Der Versuch eines kubistischen Erzählstils mit Vielfachperspektive?
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