Die unterdrückte Frau
Miriam Francis
Wir sind zusammen alt geworden.
Wir haben alles mitgemacht,
das Sich-Umarmen, Sich-Ermorden,
wir sind zusammen kalt geworden,
nun ist in unsren Herzen Nacht.
Wir trinken hier wie schon seit Jahren
am selben Tisch den gleichen Tee.
Wir sind eins von den stummen Paaren,
wir liegen uns nicht in den Haaren,
wenn wir uns weh tun, tut nichts weh.
Ich wollte manchmal um mich schlagen,
hätt ich gewusst, wie man das macht.
Ich suchte oft in bösen Tagen,
die Chance dir Lebwohl zu sagen
und habs nicht übers Herz gebracht.
Du hast mich viel zu lang geschunden.
Nun bin ich unterm Herzen grau.
Ich fühle mich an dich gebunden,
allein hab ich mich nie gefunden,
ich war nur immer deine Frau.
Jetzt sind die Kinder aus dem Hause,
der Haushalt ist seitdem recht klein.
Ich schlafe mittags eine Pause,
mein Haar kriegt öfters eine Krause,
ich weiß, ich kann zufrieden sein.
Nur manchmal frag ich mich, was bliebe,
wenn einer von uns übrigblieb?
Die Sehnsucht nach der großen Liebe?
Der Schmerz vernarbter Seitenhiebe?
Oder fällt alles durch ein Sieb?
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