'Das Bild hinter der Leinwand erkennen!', war einer von seinen Lieblingssprüchen, wenn ihn jemand nach Sinn oder Ähnlichem fragte. Der Spruch war so gut, dass er ihn sogar selber glaubte: Sehet nur, gebenedeiet sei mein, von Ignoranten und Systemkonformisten kritisierbares Streben, dem ich alles andere unterordne! Jawoll-ja!
Tja, und dann wurde das Bild hinter der Leinwand tatsächlich langsam etwas sichtbar. Das dauerte aber seine eigen kleine Weile, – ca. ein halbes Jahrhundert: Ein kleiner Scheißer versucht sich in größistischen Ausreden. In Wirklichkeit hatte er doch nie etwas anderes gewollt, als Fressen, Ficken, Schnorcheln, Ablungern, Opiate verkosten, Musizieren, Dichten …, ungefähr in dieser Reihenfolge.
Sobald seine legitimen Ansprüche, – mit etwas Reserve für morgen –, gesichert waren, verlor dieser Infantilist jedes weitere Interesse an 'Gnṓthi sautón' (erkenne dich selbst), an der Welt (Etwas besser hinterlassen, als vorgefunden), an der Wahrheit (ein Prozess, den man nicht anhalten kann, um ihn in Ruhe zu betrachten), an Texten und Gedichten (dafür braucht es Lange Weile, und … äh …, mehr Talent bzw. Biss), oder was weiß der denn schon, da sich die Illusion, nämlich dass er die Strippen kontrollieren würde (kontrollieren könnte) als das erwies, was sie war: Eine Illusion! Klar: Nichts steht geschrieben, aber Vieles funktioniert bloß nach dem determistischen Chaosprinzip. Die Dinge passieren einfach und damit hat es sich, wie der große Philosoph Total Schwatzmaul einst treffend anmerkte.
Er bedauerte heimlich seinen eigenen Mangel an Bildung, welchen er mit Hilfe populärwissenschaftlicher Lektüre immer auf einem gewissen Level, für Partygewäsch hielt (genügt doch, wenn er etwas über den Kant'schen Imperativ plappern konnte), misstraute aber der Gelehrtheit und dem angeblichen Wissen Anderer (Ha, das könnt ihr aber eurem Psychiater erzählen).
Er wurde älter. Gleich zwanzig Jahre in einem Rutsch: Von 50 auf 70, ohne weitere Ereignisse oder Höhepunkte, mit denen er sein Ego streicheln konnte. Die Frauen fanden ihn auch nicht mehr so interessant, ein bitterer Zug breitete sich in seinem sonnigen Gemüth aus: Alles Lüge! Sogar ich.
Aber darf man verbittern? Wäre das nicht armselig? (Ach ja? Aber sich in einem Hospitz die Windeln wechseln zu lassen soll ehrenwert sein?)
Tja, das passiert allen überlebenden Helden. Denn nun stehen sie einem Feind gegenüber, der gnadenlos die Augen öffnet. Besten Dank auch. Er wäre lieber den Heldentod gestorben, für die Wahrheit und alle für einen.
Und selber den Stecker ziehen? Nein, das Leben allerhöchstdaselbst sollte ihn besiegen. Ein gewaltiger Gegner – und das Ergebnis steht auch schon fest. Das Leben ist prima, das Leben lebe hoch.
Und mit einem Holzkohlegrill in der abgedichteten Dusche an CO2-Vergiftung zu entschlafen, steht ihm ja fast bis zuletzt als Option in Reserve.
Solche Überlegungen sind auch nichts für den Nachwuchs.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Bei der Selbstreflexion warst du ziemlich ehrlich, Karl-Ludwig, das bekommt auch nicht jeder hin.
Du musst dich nicht selbst klein machen, die Altenheime und Gräber sind voll von Leuten, die nicht deine Bildung und deine handwerkliche und literarische Kunst haben.
Das Leben ist wirklich prima, auch wenn wir krampfhaft versuchen, an die Stelle zu kommen, von der man diese Aussage erleichtert tätigen kann. Ich bin selbst gerade dabei, die wirklich wichtigen Dinge zu verlieren, wenn ich nicht schleunigst gegensteuere.
Es reicht nicht, sich die Dinge von der Seele zu schreiben oder nur aus den Hochs und Tiefs zu agieren, man muss den Alltag bewältigen, ohne überwältigt zu werden.
Ich finde deine Erkenntnisse und dein Fazit sehr gelungen, die Verbitterung sei uns gestattet, weil wir niemanden an unsere Ani lassen wollen, schon gar nicht irgendwelche Rotzlöffel.
Sirius
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