Genialität war gestern – der moderne Dichter ist ein technischer Bastler
Gutes literarisches Schreiben wird seit geraumer Zeit nicht mehr als schöpferischer Akt verstanden. Vielmehr steht die Beherrschung des Sprachmaterials im Zentrum. In heutigen Copy-Paste-Techniken ist das exemplarisch zu sehen – doch die Kreativität geht darob nicht völlig verloren.
Wenn Pound in seinem Manifest von 1913 das «gute Schreiben» wiederholt mit «vollkommener Beherrschung» gleichsetzt, imaginiert er den «serious artist» als einen durch und durch rationalen, selbstgewissen Formkünstler, der über exzellente Materialkenntnisse wie auch über entsprechende technische Fertigkeiten verfügt und demzufolge auf keinerlei Eingebung angewiesen ist. Der Dichter gewinnt damit eine zeitgemässe Statur und Funktion als Textproduzent, verliert aber seinen Nimbus als inspirierter Sprachschöpfer – der literarische «Ingenieur» löst den poetischen «Genius» ab. Die Dichtung als solche erweist sich bloss noch als gekonnt angewandtes «erweitertes» Sprachmaterial.
https://www.nzz.ch/feuilleton/genialitae...tler-ld.1458488
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