Eine Welt ohne Kapitalismus?
Die Kapitalismusgegner hatten ein miserables Jahr. Aber der Kapitalismus auch. Wer weitere Krisen wirklich vermeiden und die liberale Demokratie retten will, muss auf neue Formen der Umverteilung setzen. Denn ein Leben nach dem Kapitalismus wäre möglich. Und nötig.
Die Niederlage von Jeremy Corbyns Labour Party in Großbritannien in diesem Monat bremste den Schwung der radikalen Linken. Dagegen kam in den Vereinigten Staaten der Kapitalismus im Vorfeld der Präsidentschaftsvorwahlen aus unerwarteter Richtung unter Beschuss: Milliardäre, Unternehmensvorstände und sogar die konservative Finanzpresse schlossen sich Intellektuellen und Kommunalpolitikern in zahlreichen Beschwerden an, die Brutalität, Grobheit und mangelnde Nachhaltigkeit des Renditekapitalismus anprangerten. Das Gefühl, die Unternehmen könnten „nicht so weiter machen wie bisher“, scheint jetzt sogar in die Vorstandsetagen der mächtigsten Konzerne eingezogen zu sein.
Die Ultrareichen – zumindest jene mit etwas Verstand – stehen tatsächlich immer stärker unter Druck und leiden verständlicherweise unter Schuldgefühlen. Sie fühlen sich durch die bedrückende Unsicherheit bedroht, in der die Mehrheit der Menschen versinkt. Wie Karl Marx einst vorhersagte, bilden sie heute eine überaus mächtige Minderheit, die sich aber als unfähig erweist, eine polarisierte Gesellschaft anzuführen. Denn sie kann den Besitzlosen keine ausreichende Existenz garantieren.
Die Klügeren der Superreichen setzen sich aus ihren bewachten Wohnanlagen heraus für einen neuen "Stakeholder-Kapitalismus" ein und fordern sogar höhere Steuern für ihre eigene Klasse. Sie erkennen, dass die Demokratie und der Umverteilungsstaat ihre bestmögliche Versicherungspolice sind. Aber gleichzeitig fürchten sie, es läge vielleicht in der Natur dieser obersten Klasse, dass sie an der Versicherungsprämie sparen will.
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