Ein Weckruf für die Krankenhauspolitik
Die Corona-Krise wirft ein dramatisches Schlaglicht auf den Pflegenotstand in deutschen Kliniken. Sie könnte aber auch eine Tür zu dessen Lösung aufstoßen
Der Pflegenotstand in Deutschland ist nicht erst seit der Corona-Krise ein Thema. Gewerkschaften, Berufs- und Patientenverbände machen spätestens seit dem Jahr 2008 mit größeren Kampagne auf das Thema aufmerksam. Der Niedergang der Krankenhauspflege verlief über zwei wichtige Stationen: 1997 wurde die letzte Form von Personalbemessung abgeschafft, weil sie – so die explizite Begründung im Gesetzesentwurf – der angestrebten marktförmigen Steuerung der Krankenhäuser im Weg stand. 2003/04 wurden dann die Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG, deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen) eingeführt. Damit war die Pflege endgültig zu einem Kostenfaktor im Preissystem degradiert und der Abbau der Pflegestellen beschleunigte sich noch einmal. Auf seinem Höhepunkt fielen diesem Kahlschlag ca. 50.000 Pflegestellen zum Opfer, während die Patientenzahlen seit Einführung der DRGs immer weiter anstiegen. Entsprechend stieg die Anzahl der PatientInnen pro Pflegekraft.
Dieser Abbau der Pflege war seinerzeit ein – vielleicht auch bewusst in Kauf genommener – Kollateralschaden. Das strategische Ziel der DRG-Einführung bestand darin, eine marktgesteuerte Strukturbereinigung in der Krankenhauslandschaft – also Kapazitätsabbau – in Gang zu setzen. In den dürren Worten des Gesetzgebers: „Das neue Entgeltsystem wird den Prozess zur Anpassung und Weiterentwicklung der Leistungsstrukturen der Krankenhäuser und im Krankenhausbereich insgesamt beschleunigen.“ Der Stress, unter den das System Krankenhaus geriet – er war gewollt. Die Anzahl der Krankenhausstandorte wie der Krankenhausbetten ging zwar seit Ende der 1990er Jahre um zirka 15 Prozent zurück, jedoch waren die Betten auch in den Jahren zuvor schon in ähnlichen Dimensionen abgebaut worden. Man machte sich also auf die Suche nach weiteren Instrumenten um den Umbau voran zu treiben und entdeckte: den Personalmangel.
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https://www.freitag.de/autoren/der-freit...nkenhauspolitik
Anmerkung André Tautenhahn: Der Artikel ist lesenswert, weil er an die Sparrunden im Gesundheitssystem erinnert und die Folgen des marktkonformen Umbaus kenntlich macht. Dagegen leugnete der Bundesgesundheitsminister Anfang März noch, dass es solche Prozesse je gegeben hätte oder er blendete Zusammenhänge bewusst aus, um dem Gesundheitssystem eine vergleichsweise gute Ausgangslage zu bescheinigen.
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