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Da war'n es nur noch acht

#1 von Karl Ludwig , 15.04.2020 11:17

Mein Testgebiet für empirische Soziologie 14.04.2020

Gestern besuchten wir Markus, den wir seit zwei Tagen nicht mehr gesehen hatten. Wir machten uns Sorgen, denn der Typ war die letzten Monate nur noch breit. Aber richtig! Mit Schwanken, Festhalten, hinfallen, liegen bleiben, lallend irgendwelchen Wahnsinn von sich geben …

Es war nicht abgeschlossen und die Badezimmertür war durch ein umgekipptes Fahrrad blockiert. Ich drückte sie auf und da lag er. Kalt, steif, blass und stinkend.

Die ausgebaute Wohnung von Markus liegt in einem der Gesindehäusern einer ehemaligen Konservenfabrik, insgesamt ca. 25 Parteien. Als die Polizei kam, standen die Leute da und gafften. Jemand rief: „Was ist los?“ Ich machte ein Kreuzzeichen. Da gingen die Leute wieder weg um auf diesen Schreck erst mal einen zu kippen.

Hier laufen Etliche rum, die dem Feuerwasser verfallen sind. Markus hat sich totgesoffen, egal welches Detail letztendlich sein Ableben verursachte, und die anderen machen einfach weiter wie immer, weil sie haben es ja im Griff. Irgend einen Zusammenhang zwischen dem Alkohol und ihrem Schicksal zu erkennen sind sie schon zu sehr balla-balla.

Ich unterhalte mich weiter mit den Polizisten/Polizistinnen. Ja, es war abzusehen. Wir hatten nur gehofft, er bekommt noch mal den Arsch hoch. Frau weg, Haus weg, Job weg, Hemmungen weg.

„Manchmal geht es ratzfatz. Der war doch erst 46 Jahre alt und halbwegs nett, wenn nüchtern.“

Jetzt kommt doch tatsächlich jemand angetaumelt und will Fotos schießen, damit sich nicht irgendwer an den Hinterlassenschaften bedient, wie er lallend verkündet. Unternimmt Anstalten sich an dem Amtsarzt vorbei zu drücken. Ein Beamter hält ihn fest und meint, da könne er jetzt nicht rein. Der Idiot will diskutieren.

Ich meine zu dem Beamten: „So kommen Sie nicht weiter.“ Dann nehme ich, nennen wir ihn Anton, das Handy weg und brülle: „Der Beamte darf es nicht, aber ich! Verpiss Dich du Arsch! Hast Du denn überhaupt keinen Anstand??!!“

Später saßen alle zusammen im Innenhof und spielten die tägliche Wiederholung der Wiederholung, der … , ach, ich wiederhole mich ja. Also: Dito, Dito, Dito, usw.

Acht verlorene Kinder geben sich die Kante. Fehlt eins?


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zuletzt bearbeitet 15.04.2020 | Top

RE: Da war'n es nur noch acht

#2 von Sirius , 15.04.2020 17:59

Ein tragisches Erlebnis, das einen sicher nicht ungerührt lässt. Wenn alle jene, die da angerannt kamen zum Spannen, mal früher und einzeln gekommen wären, wäre der Mann vielleicht noch
am Leben. Es hat wenig Zweck und Hirn, einem Alkoholiker zu sagen, dass er mit dem Saufen
aufhören soll. So wie es wenig Sinn hat, mir das Rauchen vermiesen zu wollen, nur weil ich
vielleicht dabei draufgehe.

Danke für das Erzählen, Karl-Ludwig, auch wenns mal traurig ist.

Sirius


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RE: Da war'n es nur noch acht

#3 von weegee , 15.04.2020 20:55

Gruselig, Karl Ludwig. Aber toll erzählt. Sag mal, hast du das so ähnlich erlebt oder ist die Geschichte komplett der Phantasie entsprungen?

-- Jörn


Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)

 
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RE: Da war'n es nur noch acht

#4 von scrabblix , 15.04.2020 21:12

Ihr konntet ihn nicht vor sich selber retten, aber ihr konntet ihn davor bewahren im Tod ein Niemand zu werden, dessen Verschwinden wegen des überquellenden Briefkastens erst nach Monaten bemerkt wird.

Eine traurige Geschichte, Karl-Ludwig, die einmal mehr zeigt, dass du nicht der teilnahmslose Ignorant bist, als den du dich häufig darstellst. Danke, dass du sie uns erzählt hast!

Liebe Lottegrüße


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Da war'n es nur noch acht

#5 von Karl Ludwig , 16.04.2020 06:51

Weegee, diese Geschichte ist keine Geschichte, sondern ein Tatsachenbericht. Gut, ich habe etwas übertrieben. Es sind nur noch fünf verlorene Kinder übrig.

Kleine Episode am Rande: Als Heinz Alias vorbeikam fing er an zu zetern: „Die sollten den Alkohol verbieten und nicht das Kiffen!“

Recht hat er ja, aber ob das was nutzt?

Das Beste daran ist (wer weiß schon, wofür es gut ist): Die anderen stehen so unter Schock, dass zwei von ihnen NIE WIEDER! etwas trinken wollen, was mich zum heimlichen, höhnischen Grinsen verleitete. Und der Eine hält schon seit drei Tagen durch.

Mein diesbezügliches Expertenwissen wurde abgefragt. Antwort: Leute. Einfach lassen, egal was der Drache für einen Koller bekommt. Oder: Und du bist vermutlich der Nächste. Aber gehe zum Sterben bitte in den Wald. Auch als Leiche würdest du nämlich Scheiße aussehen. Ich sagte nicht: Eure Betroffenheit ist nur eine Show. Ihr tut euch selber leid.


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