Eine andere Stimme
Habe dich, mein Engel, nie betrogen,
warum bin ich also fortgezogen,
warum ließ ich also dich zum Pfande
in dem todeswunden Erdenlande?
Wasser dampft unter den Brückenbogen,
Funken kommen aus der Glut geflogen,
schwere Bö´n beklagen ihre Schande,
eine Kugel irrt am Newa-Strande,
und sie sucht dein armes Herz. In Weiß
liegst du einsam im vereisten Zimmer,
und du singst, gehüllt in weißen Schimmer,
meinen bittren Namen Lob und Preis.
In jener fernen Zeit, da Liebesglut
als Kruzifix im todgeweihten Herzen
entfachte, legst du nicht wie eine Taube
an meiner Brust, doch hast sie wie ein Geier
mir aufgerissen, brachst die Treue, schenktest
den Wein des Fluches deinem Freunde ein.
Nun ist die Stunde nahe, und auch du
blickst in die grünen Augen und erflehst
umsonst der harten Lippen milde Gaben
und Schwüre, welche du noch nie vernommen
und welche keiner auszusprechen wagt.
So hat derjenige, der einen Quell
vergiftete für den, der in der Wüste
ihm folgt, sich selbst verirrt und, schier verdurstend,
im Dunkeln die Oase nicht erkannt.
Das kühle Wasser spendet ihm Verderben,
doch hat Verderben nie den Durst gestillt.
Anna Achmatowa
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