Solo-Selbstständige : Unter Verdacht
Ohne Soforthilfe geraten viele Solo-Selbstständige in existenzielle Not. Wer sie beantragt hat, muss nun fürchten, als Betrüger zu gelten.
Von Karin Finkenzeller
Auf der Webseite stehen noch die geplanten Tour-Termine: Wasserburg, Stuttgart, München, Berlin, Hamburg. Doch in roten Versalien steht jeweils "abgesagt" hinter den Daten. Weiter unten, in hoffnungsvollem Grün unterlegt, folgen die Nachholtermine: Erst ab dem 26. März 2021 will Vera Klima wieder auf der Bühne stehen. Die Zeit bis dahin ist es, die der 34-jährigen Sängerin und Songwriterin Sorge bereitet.
Im Mai schrieb sie einen Facebook-Post über die Situation selbstständiger Künstlerinnen und Künstler in der Corona-Krise. Die Soforthilfe sei nur "heiße Luft", da sie nur für Betriebskosten eingesetzt werden darf – die bei vielen Künstlern gegen null gehen –, nicht aber zur Deckung des Honorarausfalls. Sie höre ständig Aussagen von Politikern, denen zufolge "niemand allein gelassen" werde. Das sei, kritisiert sie, vor allem "mediale Effekthascherei". Ihr Beitrag verbreitet sich viral.
Haben Sie die Soforthilfe zurückgegeben, Frau Klima? "Nein, noch nicht." Am Telefon klingt sie ein wenig außer Atem, sie ist mitten im Umzug. "Aber ich verwende das Geld erst einmal auch nicht. Und dann gucke ich, wie viel ich zurückzahlen muss." Wovon leben Sie? "Zum Glück bekomme ich jetzt Mutterschaftsgeld. Ich bin im neunten Monat schwanger." Nach der Geburt gibt es Elterngeld. Das sei wirklich ein Glück für sie und ihren Lebensgefährten. Auch er ist Musiker, sein nächster Auftritt steht erst im Dezember an.
Die Sängerin spricht für viele Berufskollegen – viele Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmerinnen stehen plötzlich mit dem Gesetz in Konflikt. Mit den Corona-Ausgangsbeschränkungen im März brachen ihre Einnahmen praktisch von einem Tag auf den anderen weg. Doch die vom Staat versprochene unbürokratische Soforthilfe ist anders als ursprünglich vermutet nicht für die eigene Lebenshaltung gedacht. Nur Betriebskosten dürfen damit bestritten werden: also Miete, Strom und Telefon für das Büro oder eine Werkstatt, nicht aber die Kosten für das Dach über dem eigenen Kopf oder gar den Wickeltisch für das Baby. Löhne für Beschäftigte dürfen damit bezahlt werden, nicht jedoch der Einkauf von Lebensmitteln.
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