Nach fünf Jahren

Und Vater tot und Bruder tot
Und einer kriegsgefangen;
Und Mutter sitzt in Rentennot:
Was essen meine Rangen..?
So stehn wir da im schäbigen Kleid
Und denken an die alte Zeit.
Und hassen.

Und hassen jenen Preußengeist,
Der uns geduckt, betrogen.
Und hassen, was von Orden gleißt,
Ihr Aar ist fortgeflogen.
Er hinterließ als armen Rest
Uns nur ein ganz beschmutztes Nest
Und graue Elendsmassen.
Wir hassen.

Hör, Bruder, standest du nicht stramm
Vor Knechten und vor Schiebern?
Du gingst zur Schlacht als Opferlamm.
Wir fiebern, fiebern, fiebern ..
Wach auf! Du warst so lange krank!
Es dauert nicht ein Leben lang!
Musst´s nur nicht gelten lassen!
Wir hassen.

Brenn aus! Brenn aus! Mit Stumpf und Stiel!
Greif mutig in den Himmel!
Die Oberschicht – sie zählt nicht viel -
Versinkt in dem Gewimmel.
In Dreck und Blut und Schlamm und Schmerz
Blieb uns ein warmes Menschenherz.
Schlag zu mit wuchtigen Hieben!
Wir lieben.

Kurt Tucholsky

Ganz stark von Onkel Tucholsky. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht der Schluss den selbsternannten Rächern der kleinen Leute den unangenehmen Spiegel vorhält. Prügelt man die Oberschicht, ist man vielleicht nicht besser als die Leuteschinder. Oder man beweist doch gerade dadurch die Liebe zu den Ausgebeuteten? Ich weiß es nicht. Oder: Er fordert die Oberschicht auf, ruhig weiter zu schinden. Die Geschundenen setzen dagegen ihre Liebe, gewaltlosen Widerstand á la M. L. King und M. Ghandi. Das wäre allerdings naiv und fatal.

LG, Jörn