Constanze Neumann: Das Jahr ohne Sommer
In ihrem vorherigen Roman "Wellenflug" hat Constanze Neumann die Herkunftsgeschichte ihrer Familie erzählt. In ihrem neuen autobiografisch geprägten Roman geht es nun um die Geschichte ihrer Kindheit: "Das Jahr ohne Sommer".
von Annemarie Stoltenberg
Constanze Neumann erzählt von einer schweren Traumatisierung einer ganzen Familie durch den Staat, durch das politische System der DDR. Ihre hochbegabten, jungen, hoffnungsvollen Eltern glaubten, eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Republik zu verlassen. Ein fataler Irrtum. Einer der beteiligten Fluchthelfer war in Bedrängnis geraten und hatte sie offenbar verraten, um die eigene Haut zu retten. Die Flucht misslingt, beide Eltern kommen ins Gefängnis.
Der Großvater holt das kleine Mädchen ab und die nächsten Jahre wird sie hauptsächlich von der Großmutter betreut, geliebt, großgezogen. Über den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR in den 1970er-Jahren kommen die Eltern des Mädchens in den Westen. Es bedeutet einen weiteren schmerzhaften Abschied für das Kind. Sie muss die Großmutter verlassen und ihre Heimat. Das Kind zieht mit den Eltern nach Aachen. Sie erinnert sich, wie es war, wenn in der neuen Umgebung die Eltern am Abend ausgingen:
Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, fiel ich aus beiden Welten, nichts war mehr übrig, es war alles leer und ich allein. Draußen wurde es dunkel, und ich lief durch alle Zimmer, um zu kontrollieren, ob die Dinge noch da waren: die Möbel, das Meissner Porzellan, das meine Eltern mit viel Mühe aus der DDR gerettet hatten, die Geige meiner Mutter, ihr Schmuck, ihre Unterwäsche und die Strumpfhosen. … Manchmal weinte ich, manchmal schlief ich ein, bevor meine Eltern zurückkamen …
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