Wiglaf Drostes letzter Gedichtband
Wie Satire wirklich geht
Der Hass war ihm fremd: In „Tisch und Bett“ gibt Wiglaf Droste Handlungsempfehlungen für Wutbürger und zeigt noch einmal seine augenzwinkernde Humanität.
CARSTEN OTTE
Der große Unterschied zu dem, was heute als Satire verkauft wird, und der Sprachkunst, die Wiglaf Droste betrieb, besteht nicht nur in der humoristischen Fallhöhe, sondern in den zarten Zwischentönen, die sich in jeder noch so rabaukenhaften Polemik dieses vergangenes Jahr so früh verstorbenen Autors findet.
Zugespitzt waren selbst die Glossen des 1961 in Herford geborenen Lehrersohns, durchaus drastisch seine Wortwahl, wahrten aber stets die Menschenwürde. Denn Droste war – um es mal pathetisch zu formulieren – ein Liebender.
Der Hass war ihm fremd. Das wird auch in seinem posthum veröffentlichten Gedichtband „Tisch und Bett“ deutlich: „Der Protz, der pumpend Hanteln stemmt: / Er ist mir fremd. / Muss ich ihn hassen? (…) Der Pfarrer, frömmelnd und gehemmt: / Er ist mir fremd. / Muss ich ihn hassen? / Der Koranist, der jede Lebensfreude dämmt: er ist mir fremd. Muss ich ihn hassen?“
Stattdessen empfiehlt der Dichter den Wutbürgern in allen politischen und religiösen Lagern: „Stellt euch unter die Kopfkühlbrause / und macht mal Hasspizza-Mittagspause.“
Diese Zeilen, die mit „Fremdenhass“ überschrieben sind, möchte man am liebsten jenen Leuten als Dauerantwort in den zumeist asozialen Kanälen zurufen, die aus allerlei Differenzen unter den Menschen rigide Identitätsideologien basteln.
Droste brauchte weder Hegel noch Adorno, um zu erkennen, dass abstrakte Negation immer wieder auf die Verneinenden zurückschlägt – und dass die Gedanken erbitterter Gegner sich oft ähnlicher sind, als die Hassenden es wahrhaben wollen.
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/wigla...t/25996570.html
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