Der große Abwesende
Monique Truongs Roman erzählt von drei außergewöhnlichen Frauen und dabei auch vom Leben des Schriftstellers Lafcadio Hearn. "Sweetest fruits" ist ein dramaturgisches Kunststück ersten Ranges.
Mutterschokoladenmilch, Wörterlakritz, eingelegte Familienrüben - in Monique Truongs Roman "Bitter im Mund" sind viele Wörter direkt an den Geschmackssinn gekoppelt. Eine US-Vietnamesin erinnert sich an das Provinzleben in den Südstaaten. Mittels Hefeteig und Tintenfisch. Eine Steigerung des Proust'schen Madelaine-Effekts, wenn man so will. Man schmeckt, was man liest. Vorausgegangen war ihr erster Roman "Das Buch vom Salz", in dem ein schwuler vietnamesischer Koch bei Gertrude Stein und Alice B. Toklas in Paris Speisen zubereitet, sich derart in deren bohemistisches Leben hineinfindet und zugleich in den Strudel der Erinnerung an seine eigene Herkunft. Sinnlichkeit, zumal kulinarische, ist das Medium, in dem die Vergangenheit sich öffnet und mit den Erfahrungen der Gegenwart verbindet. Es klingt wie ein ausgefuchstes poetisches Programm, aber bei Monique Truong scheint es so selbstverständlich wie der leichte Schwindel beim Besuch eines exotischen Gewürzmarktes. In die angenehme Verlockung mischt sich eine Wahrnehmung des vielfältigen Fremden, der fremden Vielfalt.
Der Titel von Monique Truongs jüngstem Roman "Sweetest Fruits" scheint daran anzuknüpfen. Tatsächlich ist eine der drei Erzählerinnen Köchin; Vegetation, Klima, Gerüche und auch Speisen spielen eine wichtige Rolle. Und doch funktioniert der Roman anders als seine Vorgänger. Wir haben es hier mit drei Erzählerinnen und einem Mann als Gegenstand ihrer Reden zu tun, der buchstäblich durch Abwesenheit glänzt. Der Mann ist Lafcadio Hearn, ein kulturelles Chamäleon, einer der exotischsten, versatilsten, aber auch liebenswertesten und naivsten Schriftsteller vor und um Neunzehnhundert. Ein Weltautor wider Willen, von Herzen Provinzler, in der Wirkung global. Das tragische Leben des Lafcadio Hearn ist äußerlich bunt und abenteuerlich, von vielen Biografien aufbereitet, in drei Museen festgehalten, einmal im Jahr im japanischen Matsue mit einem Festumzug gefeiert. Und es ist von Verlust, Angst, Trauer und Flucht geprägt.
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