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Dilek Güngör: „Vater und ich“

#1 von Sirius , 17.09.2021 17:23

Dilek Güngör: „Vater und ich“

„Vater und ich“: Dilek Güngör misst ihren Abstand zur Generation der Gastarbeiter.
Nachdem der Reis aufgekocht ist, spannt man ein Küchentuch über den Topf. Das fängt den Dampf. Ipek ist in ihrem Elternhaus zu Besuch, beim Vater, denn die Mutter ist verreist. Nun will sie, die Journalistin, die in Berlin ihr unabhängiges Leben führt, den alten Draht zum Vater wieder aufnehmen. Doch wie macht man das? Vielleicht beim gemeinsamen Essen. Das Küchentuch für den Reis darf nicht frisch gewaschen sein, „du willst doch nicht, dass dein Reis nach Waschmittel riecht“, klingt es in Ipeks Kopf. „Mamas Stimme sitzt in den Wänden“, schreibt Dilek Güngör. Doch der Roman, ein schmales Buch von hundert Seiten, heißt: „Vater und ich“.

Die Vatersuche ist ein altes literarisches Motiv, ursprünglich ein Männerding. Hier trifft die Tochter auf den Vater, der zwar anwesend ist, aber wie ein leere Hülle. Das erzählende Ich erinnert sich an unbeschwerte Späße und eine große zärtliche Nähe, die verloren ist. Die Eltern sind in den siebziger Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, in einen Landstrich, in dem man Schwäbisch spricht. Sie sind nicht mehr in der Fabrik beschäftigt, haben ein kleines Haus von einem Schumacher gekauft. In dessen Werkstatt arbeitet Ipeks Vater jetzt Möbel auf.

Drei Tage bleibt die junge Frau, drei Tage gibt sie sich die Zeit zur Annäherung, der Roman spielt sich in dieser Zeit ab, darin eingebettet sind knappe Erinnerungsstücke aus Ipeks Perspektive. Die abwesende Mutter hat immer die Familie zusammengehalten. Mit ihr zu leben bedeutet, mit ihr zu reden. Dilek Güngör kleidet das in ein Bild, in dem mehr steckt als das Sprechen allein: „Mama redet, als würde sie einen Pullover aufribbeln. Den Wollfaden in der Hand, ein leichter Zug, schon zieht sich eine Reihe nach der anderen auf. Ein Satz zieht den nächsten nach sich.“ Das Gespräch mit dem Vater bildet das Gegenteil dazu: „Wir schleppen uns von einem Satz zum nächsten, ziehen uns die Worte mühsam aus dem Mund, auf eine kurze Frage folgt eine noch kürzere Antwort.“

Weiterlesen:

https://www.fr.de/kultur/literatur/dilek...n-90985476.html


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