Paul Brodowsky: Väter
Entwaffnend ehrliche Prosa. Paul Brodowskys Roman „Väter“ ist eine Meditation über Vaterschaft und transgenerationale Prägungen.
Was bedeutet es heute, Vater zu sein? Auf jeden Fall anders zu sein als der Vater, den man selbst in seiner Kindheit erlebt hat. Das ist die Erfahrung, die in dieser Büchersaison gleich zwei Romanautoren in ihren literarischen Autofiktionen umtreibt, neben André Hille in „Jahreszeit der Steine“ auch den 43-jährigen Berliner Autor Paul Brodowsky, der seit seinem eindrucksvoll-ambitionierten Erzählband „Die blinde Fotografin“ von 2007 hauptsächlich als Theaterautor in Erscheinung getreten ist und sich jetzt einen ambitionierten Roman vorlegt.
Was dieses Anderssein als Vater in der Praxis heißt, machen in Brodowskys Roman immer neue Nahaufnahmen aus dem Alltag einer jungen Familie deutlich: Vater sein heute ist demnach vor allem eine tägliche Geduldsprüfung, eine Zen-ähnliche Übung in Emotionskontrolle. Schließlich will man ein progressiver, sensibler Vater sein, der die Care-Arbeit nicht der Frau allein überlässt.
Immer wieder protokolliert der Ich-Erzähler, der sich mit dem Verfasser Namen und Vita teilt, seitenlang minutiös das stressige Familienleben: etwa das morgendliche Wecken der Kinder, Bad, Frühstück und Anziehen, alles so unter Zeitdruck, dass mitunter nicht mal Zeit fürs eigene Zähneputzen bleibt.
Ein blockierendes Fahrradschloss auf dem Weg zur Kita durch den Berliner Großstadtverkehr kann da leicht das Fass zum Überlaufen bringen. Schließlich geht jede Verspätung auf Kosten des ohnehin immer zu kleinen Zeitfensters fürs eigene Schreiben. Vermutlich hätte hier jeder an Pauls Stelle mit einem kleinen Wutanfall zu kämpfen. Doch in Pauls Fall, aufgrund seiner Familiengeschichte, führt jede aufkommende Aggression eben immer auch zur bangen Frage, ob er am Ende nicht doch wie „er“ sein könnte, der eigene Vater, das „Anti-Vorbild“.
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/paul-...ke-9852140.html
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