Paul Auster: Baumgartner
So also ist der Tod: keine Harfen oder Posaunen, kein Fegefeuer und keine Reinkarnation, stattdessen ein grosses Nirgendwo
Paul Austers Roman «Baumgartner» ist ein melancholisch-nachdenklicher Text über das Alter und das Sterben. Er hat viele Stärken und einige Schwächen.
Als «kleinen Roman» kündigte Siri Hustvedt im August das neue Werk ihres Mannes an, und tatsächlich ist «Baumgartner» mit nur wenig mehr als 200 Seiten ein eher schmales Büchlein geworden. Ausserdem eines, in dem Paul Auster sich so unmittelbar wie kaum je zuvor mit Tod und Leben befasst, mit dem Älterwerden und mit der Kraft der Erinnerung.
Der titelgebende Protagonist ist ein siebzig Jahre alter Phänomenologe aus Princeton, ein «einsamer Wanderer durch die tiefen, unergründlichen, ontologischen Sümpfe der menschlichen Wahrnehmung». Vor zehn Jahren kam seine Frau Anna, eine begabte Dichterin, bei einem Unfall ums Leben, seither leidet Baumgartner unter Phantomschmerzen, «das überzeugendste und stärkste Analogon zur Verdeutlichung dessen, was los ist mit ihm».
Eines Nachts läutet in Annas unverändert gebliebenem Arbeitszimmer ihr Telefon – das abgemeldete Telefon, das eigentlich nicht mehr läuten kann –, und als Baumgartner abhebt, hört er zu seinem Erstaunen die Stimme seiner verstorbenen Frau, die ihm erzählt, wie sich das mit dem Tod tatsächlich verhält: keine Harfen oder Posaunen, kein Fegefeuer und keine Reinkarnation, stattdessen ein grosses Nirgendwo, ein «geräuschloses Vakuum der Nullität, der Orkus des Nichts».
Niemand anderes als Baumgartner sei der Grund, wieso sie sich in diesem «paradoxen Zustand sich selbst bewusster Nichtexistenz» befinde, erklärt Anna. Er sei es, der ihr Bewusstsein durch seine Gedanken und Erinnerungen immer wieder aufwecke; erst mit seinem Tod werde auch sie endgültig ausgelöscht.
Traum oder Realität? Paul Auster hat einige seiner Romane auf dem schmalen Grat zwischen beidem angesiedelt, und fast bedauert man, dass Baumgartner die Begebenheit schnell als nächtliche Phantasie abtut. Aber sie verändert den alternden Wissenschafter. Er entdeckt eine neue Klarheit des Denkens und beginnt, Pläne zu machen, für eine Zukunft, die er als begrenzt begreift: «Die Zeit des Zauderns ist abgelaufen.»
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