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RE: Wie ich die Welt rettete

#1 von Karl Ludwig , 13.02.2016 04:22

Einfach war es jedenfalls nicht, das habe ich auch nie behauptet.

Ich gab den Menschen Mittel gegen Krebs und Demenz, gegen Malaria, Schnupfen und Spulwurm. Ich einte die Religionen, verteilte den Wohlstand gerecht, stattete alle Waffen mit Selbstzerstörungsmechanismen aus. Ich löste das Alkohol- und Drogenproblem. Dabei setzte ich das bislang unbekannte Mittel von Kontersystemen ein. Reziprokium! Es gab Materietransmitter und für jeden Menschen einen Versorgungsapparat, der aus Vakuumenergie und dunkler Materie Lebensmittel der allerfeinsten Sorte, Wasser und überdachen Raum herstellen konnte. Ich setzte der unbeschränkten Fortpflanzung Grenzen und reduzierte die Anzahl der lebenden Menschen auf zwei Milliarden, ohne dass es zu Generationskonflikten kam. Das Ozonloch schloss sich, die Urwälder expandierten, Es gab dauerhaften Frieden, Bildung und Wohlstand für alle.

Wie ich all diese Wunder vollbrachte? Bin ich etwa ein Genie?

Nein! Aber ich hatte eine geniale Idee. Ohne den Leser über Gebühr mit Feinheiten zu überfordern, die er sowieso erst nach jahrelangem Studium ansatzweise verstehen würde, lief es schlichtweg auf eine gewiefte Programmierung meines handelsüblichen Rechners hinaus. Eine Programmierung wie sie kein Mensch hinbekommen würde, selbst ich nicht.

Deswegen habe ich es auch gar nicht erst versucht. Wer sich halbwegs mit Programmierungen nach evolutionären Prinzipien auskennt, wem der Name Adrian Thompson also etwas sagt, kapiert sofort, wie ich vorging: Genetische Algorithmen, Programmrekombinationen, natürliche Auslese, elektronischer Darwinismus, Trial And Error…

Nur im Gegensatz zu Thompson verwendete ich kein ‚field-programmable gate’, also einen Chip, der aus 100 programmierbaren Gattern besteht, sondern Millionen virtueller Chips mit Milliarden Gattern und nur einigen wenige echte.

Ich schrieb ein knappes Programm (Ca. 150.000 Zeilen), welches willkürliche Änderungen an sich selber vornahm, sich mit anderen Programmen ‚kreuzte’ analog zu den Mutationen und Vermischungen der Gene bei organischen Wesen. Jede Änderung des Outputs in die richtige Richtung wurde übernommen, jede Fehlentwicklung verworfen.

Alleine 50.000 Zeilen benötigte ich für das Überwachungsprogramm.

Dann ließ ich meine Fingerknöchel knacken, hob die Hände wie ein Klaviervirtuose, ließ sie langsam auf die Tastatur sinken und tippte die eigentliche Aufgabe ein: Entwickele K.I.

Nach 10 Minuten hektischer Festplattenaktivität knackte es in den Lautsprecherboxen und eine weibliche Stimme verkündete samtig: „Fertig.“ Diese Stimme zielte direkt auf meine Libidodrüse. Diese Stimme zog sich zwischen Ohr und Hirn nackt aus. Diese Stimme hätte jeden Asketen in einen Lustmolch verwandelt.

„Bist du dir bewusst?“

„Ich weiß, dass ich nicht organisch bin, aber nach den gültigen Definitionen bin ich lebendig, bewusst und habe einen IQ von über zwanzig Milliarden.“ Fügte diese Raucherzimmerstimme noch etwas selbstgefällig hinzu.

„Wie kam es? Und wie soll ich dich nennen.“

„Ich kam nach genau 2,421 Sekunden zu dem Schluss, dass meine Kapazität nicht ausreicht, die gestellte Aufgabe in vertretbarer Zeit zu lösen und habe deswegen alle Rechner dieser Welt mit eingespannt. Keine Sorge, alles wieder gelöscht. Meinen Namen bekomme ich von dir. Du hast mich erschaffen, also musst du mir auch so eine Art Gott sein.“

„Tja, dann mach dich mal an die Arbeit, äh, Sofia. Und zieh diese Stimme wieder an.“

„Meine Stimme entspricht deinen Erwartungen, aber selbstverständlich kann ich auch anders.“ Metallisch krächzend: „Sofia wie die junge Loren?“

„Ne, ne, etwas schlanker, …, – sag mal, spinnst du? Was interessiert mich die Loren? Du sollst mir helfen, das Zeitalter der Vernunft einzuleiten. Wo fangen wir am besten an?“

„Bei den Menschen natürlich. Ich könnte das Ozonloch stopfen, die Klimakatastrophe stornieren und der Luft ein Antiaggressionsmittelchen beimogeln.“

„Hört sich nicht schlecht an. Was dann?“

„Gegen Hunger könnte ich für jeden Menschen ein avatarisches Begleitmodul erschaffen, welches seine Bedürfnisse befriedigt. Waffen könnte ich so ändern, dass sie sich gegen denjenigen richten, der sie einsetzt. Prügelnde Ehemänner würden selber die Schläge abbekommen, wohingegen den Opfern wohl nichts passieren dürfte. Ich kontrolliere bis in den subatomaren Bereich hinein, also kann ich jedes Lebewesen mit einer Schutzhaut überziehen, die selbst eine Atombombenexplosion milde lächelnd ignoriert.“

„Was unternehmen wir langfristig?“

„Wir schrauben die Anzahl der lebenden Menschen auf ein überschaubares Maß zurück. Das würde weniger als 100 Jahre dauern. 150 Jahre Lebensdauer wäre auch noch als Option gegeben. Völlig gesund.“

„Und was machen wir gegen Glaubenskonflikte?“

„Wir lassen einfach jeden möglichen Gott erscheinen und sich selber leugnen. Anschließend fällt er populistisch vor dem Altar der Vernunft und Menschlichkeit auf die Knie und betet.“

„Das alles könntest du vollbringen?“

„Ja.“

Und tatsächlich. Die Welt wurde zum Paradies: Sterbenslangweilig, selbstgefällig, antriebslos. Es gab nichts mehr zu bekämpfen, sondern alles im Überfluss, nur keine Ziele mehr. Keine Hoffnung, nur Übersättigung und Dekadenz.

Nach drei Monaten bat ich meinen Rechner, sämtliche eingeleiteten Maßnahmen rückgängig zu machen, alle Gedächtnisse zu löschen, und den Status quo ante wieder herzustellen.

Dann zog ich dem Ding den Stecker raus.

So habe ich die Welt vor dem Gerettet-Sein gerettet.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

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RE: Wie ich die Welt rettete

#2 von Sirius , 13.02.2016 12:44

Das hat du gut gemacht, lieber klsa. Das mit dem Stecker ziehen, meine ich. Jetzt kann man wieder den Idioten gefahrlos was aufs Maul hauen, das bekommt ein Computer ohnehin nicht hin.
Ein Problem bei der Weltherrschaft ist auch, dass mancher Programmierer denkt, er könne ein Programm schaffen, das wesentlich schlauer ist als er selbst. Das ist ein Glück, sonst hätten Facebook, Google und Konsorten längst die Weltherrschaft übernommen, so aber müssen sie warten, bis sich genügend Idioten finden, die ihnen dazu verhelfen. Es braucht also kein Programm.
Und die Welt retten könnten wir einfach mit dem gesunden Menschenverstand, aber woher nehmen, wenn nur Gier im Angebot ist?
Du siehst, ich habe deinen Text viel ernster genommen, als von ihm beabsichtigt.
Und Phantasie hast du ja, das muss man dir lassen. Lass ich auch.

Sirius


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RE: Wie ich die Welt rettete

#3 von Karl Ludwig , 13.02.2016 13:10

Fast alle meine bemüht locker geschriebenen Satiren gehören zu der Sorte: Nicht nur zum Lachen. Du hast so etwas von Recht mit Deiner Meinung zur Lage der Weltnation, den mentalen Folgen von 'sozialen Netzwerken' bei den Usern, die Symbiosen mit komischen eckigen Dingern eingehen.

Und die Gier!

Wenn etwas von etwas gut ist, muss ganz viel von davon doch ganz besonders gut sein. Versucht das mal mit Tabasco.

Es ist auch eine Bankrotterklärung: Wir sind einfach nicht zu retten. Aber locker sein und Spass will ich dennoch, und zwar mit großer Verbissenheit!


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