Drago Jancar: Als die Welt entstand
Es gibt nichts Neues unter der Sonne, aber es ist immer wieder ungeheuerlich: Drago Jancars Roman „Als die Welt entstand“ führt ins Maribor der frühen Sechziger.
Ach die Kindheit“, stöhnt es leise mitten im Buch. „Das Entsetzliche sehen, um das Schöne zu erkennen. Die Angst, um dem Mut zu begegnen. Die Not der Welt, um an ihr reich zu werden.“ Ach, die Kindheit: Einem solchen Seufzer muss man gewachsen sein, wenn man dem Kitschverdacht entgehen will. Auf Drago Jancar, den meistgeehrten Schriftsteller Sloweniens, trifft das zu.
Die junge Lena kommt vom Lande in die Stadt. Sie findet Wärme und Geborgenheit bei dem riesigen, gutmütigen Dachdecker Pepi, betrügt ihn aber schon bald mit dem weit interessanteren, aber zwielichtigen Ljubo. Der Luftikus taugt offensichtlich nichts, schlägt sie, hat eine kriminelle Vergangenheit. Trotzdem entscheidet sich Lena für Ljubo. Am Ende liegt der gute Pepi tot in seiner Werkstatt, und gleich noch eine weitere Tragödie schließt sich an.
Zeuge des Entsetzlichen, der Angst, der Not der Welt wird zwischen einem Frühling und dem folgenden Spätherbst der vielleicht zwölf- oder 13-jährige Danijel. Aus seiner Perspektive ist das Geschehen erzählt. Im Blick auf Lenas und Pepis Drama von Liebe, Verrat und Tod bildet sich Danijels Welt. Auf Lena richten sich seine – zart und mit dem gebotenen Takt erzählten – vorpubertären Fantasien. Wie sich in dem Jungen sein naiver, aber scharfer Blick auf reale Ereignisse mit Traumgesichten, Wünschen und einem widersprüchlichen Über-Ich zu einem Weltbild verdichtet: das bringt nur ein Meistererzähler zusammen. Alles das darf man noch dazu in einer brillanten Übersetzung lesen.
Das Jahr 1961 lässt sich in den zeithistorischen Bezügen im Text erkennen. Da ist der Vater, der im KZ gebrochen wurde und nun, nach einem Schlaganfall, in den Augen des bewunderungsbereiten Sohnes zu einer erbärmlichen Figur wird. Sein Antipode ist der strenge Pater Aloisius, der in Danijels katholischer Vorstellungswelt Ordnung schafft. Aus der verdrängten Vergangenheit des Städtchens schließlich ragt die Gestalt des pensionierten Lehrers Fabjan in die Gegenwart, ein alter Herr, der seine Weisheit mit dem Jungen teilt. Wem der Vater, der Pater und der Professor etwas klischeehaft vorkommen, tut gut daran, zur Probe einmal sein eigenes zwölfjähriges Ich zu befragen.
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