SYRISCHER ROMAN
Die Stadt, die Familie und der Tod
Khaled Khalifas Roman „Keine Messer in den Küchen dieser Stadt“ erzählt von drei Geschwistern in Aleppo.
Alle spürten“, heißt es an einer Stelle, „dass das bisschen Erfolg und Sicherheit, das sie sich erarbeitet hatten, wie weggeblasen war und dass das Überleben zum Ziel an sich geworden war.“ Der bereits 2013 in Kairo veröffentlichte und nun in deutscher Sprache vorliegende Roman „Keine Messer in den Küchen dieser Stadt“ von dem syrischen Schriftsteller Khaled Khalifa schildert die Geschichte eines Geschwistertrios aus einer ursprünglich ambitioniert mittelständischen Familie. Zwar scheitern sie am Ende an sich selbst, das Leben dieser Generation – es ist die des 1964 geborenen Schriftstellers – ist jedoch von den lastenden Verhältnissen der Existenz unter einer Gewaltherrschaft geprägt.
Den Hintergrund bildet der Niedergang von Khalifas Heimatstadt Aleppo – als eine der ältesten Städte der Welt als Unesco-Kulturerbe gelistet – unter dem Regime des Linksnationalisten Hafez al-Assad und seiner Baath-Partei, dem Vater des heutigen Machthabers. Zugrundegegangen ist die einst religiös diverse und liberal-prosperierenden Stadt nach Khalifas Befinden lange vor der kriegerischen Zerstörung 2012.
Mit jedem Kapitel greift das Buch vom Ausgangspunkt des Sterbens der Mutter aus retrospektiv in die Familienhistorie zurück. Der Erzähler selbst verschwindet hinter der Erzählung, eine treffliche Form der Charakterisierung. „Keine Wünsche, keine Träume. Keine Zukunft, keine Vergangenheit“, lautet sein niederschmetternder Selbstbefund. Diese Generation kennt keine andere Wirklichkeit als jene unter der Diktatur. Die Bücher des heute in Damaskus lebenden Schriftstellers stehen in Syrien auf dem Index.
Das Buch ist nicht zuletzt auch eines über den Tod, in Verschlingung mit Eros, Religion und Politik. Nach dem Putsch der Baath-Partei macht sich rasch die Gewalt rivalisierender Clans in den Straßen breit; die Söhne einflussreicher Beamter und Offiziere machen sich die Stadt zur Beute. Lärmend grölen die Nachbarn die Parteilieder, Immobilienhaie haben freie Bahn zur Verschandlung der einst blühenden Metropole. Es herrscht ein Klima der Angst. Der Erzähler spricht von einem „Parallelleben“, das er, zahllosen anderen gleich, über Jahrzehnte hinweg geführt habe.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/khale...d-90023796.html
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