Bundestagsvizepräsident Kubicki: „Söder ist eine traurige Figur“
Der Bundestagsvizepräsident kritisiert auch die Kanzlerin dafür, in der Corona-Krise „immer nur Angst zu machen, ohne Perspektiven aufzuzeigen“.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki fordert, die Corona-Maßnahmen stärker im Parlament zu debattieren. Auch sei der Bundestag in der Lage, schnell Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie zu treffen, so Kubicki im Gespräch mit unserer Redaktion. Scharf geht der FDP-Vize mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Markus Söder ins Gericht.
Herr Kubicki, hat der Bundestag in der Corona-Pandemie inzwischen zu wenig zu sagen?
KUBICKI Definitiv ja. Mittlerweile wurde in rund fünf Dutzend Gerichtsentscheidungen dokumentiert, dass viele exekutive Corona-Maßnahmen rechts- oder verfassungswidrig waren. Und das waren bislang nur die Eilentscheidungen. Das zeigt, dass die Rechtsetzung durch die Regierungen vielfach zu sehr in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen hat. Mit einer offenen parlamentarischen Debatte wäre viel intensiver über das Für und Wider gesprochen worden. Außerdem wirkt die offene Debatte gegen verschwörerische Mutmaßungen, die meinen, alles werde nur in Hinterzimmern entschieden.
Über welche Maßnahmen hätten Sie denn gerne diskutiert und dann entschieden?
KUBICKI Mindestens über die entscheidenden – dort, wo es um die Eingriffe in unsere verfassungsmäßige Ordnung geht. Hier sind zwar die Landesparlamente zuerst gefragt, aber auch im Bundestag müssen wir darüber reden, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Die Kanzlerin hat sich ja eine Koordinierungsfunktion bei den Gesprächen mit den Ministerpräsidenten angemaßt, die ohne rechtliche Grundlage ist. Sie ist also unsere Ansprechpartnerin.
KUBICKI Ja und? Das Parlament ist im Zweifel ebenfalls imstande, schnelle Entscheidungen herbeizuführen. Das haben wir im März bereits bewiesen. Dass jetzt einige meinen, wegen Corona auf das ordentliche parlamentarische Verfahren verzichten zu können, bereitet mir Sorgen.
Plädieren Sie trotzdem für beschleunigte Verfahren?
KUBICKI Im Notfall müssen Entscheidungen im beschleunigten Verfahren getroffen werden. Aber solange das nicht nötig ist, sollten wir das normale Verfahren einhalten. Die Überlegung von Gesundheitsminister Jens Spahn, sich im Eilverfahren über den 31. März 2021 hinaus Sonderrechte zu sichern, atmet deshalb undemokratischen Geist.
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