Sie trafen sich auf einem Fest
und riefen: "Hoch die Tassen!"
Sie tanzten ausgelassen,
ein Glas Absinth gab ihr den Rest.

Er war ein hübscher junger Mann
mit schmalen blassen Händen.
Sie wollte sich verschwenden
und nahm ihn mit sich irgendwann.

Sie wachte auf in seinem Arm,
er sah auf sie hernieder,
dann liebten sie sich wieder.
Sein Körper war so weich und warm.

Er hatte Witz, er hatte Geist
und keinen Cent auf Tasche,
griff manchen Tag zur Flasche.
Doch sie verzieh es ihm zumeist.

Sie ging zur Arbeit früh um fünf,
er schlief noch wie ein Engel
und war doch nur ein Bengel.
Stumm stopfte sie ihm seine Strümpf.

Die Liebe, sie macht dumm und blind.
Sie stellte keine Fragen,
wollt alle Last ertragen.
Dann hieß es, sie bekäm ein Kind.

Da machte er sich flink hinweg
und kehrte niemals wieder.
Nachts sang sie Wiegenlieder
und kam sich vor wie ein Stück Dreck.

Der junge Mann ist beim Papa
dann flugs zu Kreuz gekrochen
und schon nach ein paar Wochen
war eine Braut mit Mitgift da.

Sie feierten ihr Hochzeitsfest
mit Pauken und Trompeten.
Er kam nicht mehr zum Beten,
sechs Schüsse gaben ihm den Rest.

Nun wiegt sie sacht ihr kleines Kind
in einer dunklen Zelle.
Ein Lied, vergnügt und helle,
trägt in die Nacht hinaus der Wind.

Oh, wie traurig. Aber nicht autobiografisch will ich hoffen; - nee, in der Zelle gipps ja kein Internet.

Bis auf den Absinth ist alles fiktiv. Ich hatte damals mehr Glück als dieses arme Mädchen, das an den falschen Typen geriet. Obwohl, jede Frau kann bestimmt von so nem Typen berichten, der sie sitzen ließ um seiner Herkunft, seiner Karriere oder seines süßen Lebens willen. Würden all diese verlassenen Frauen so handeln wie das Mädchen, dann wären Männer Mangelware.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

Dein Gedicht gefällt mir, Jenny.

Aber ich muss Einspruch einlegen... Was die verlassenen Frauen angeht.
Ich sag mal, schätz mal, das sitzen lassen, dass geht mindestens fünfzig - fünfzig aus.
Mann von heut kann sich so auch was heut gar nicht mehr leisten, ich hab selbst lang genug geblecht,
war mit 20 Papa. Und mit 23 Zahlemann... Beidseitiges Verschulden.
Ich will nur sagen, so gern ich Frauen habe, ihr seid gar nicht sooo unschuldig ihr lieben...

Hab dein Gedicht gern gelesen, liebe Jenny,
wünsch dir einen schönen Abend!

Jonny

Ich bewundere immer, wie du so viele Strophen hinbekommst mit gleichermaßen Niveau, liebe Seeräuber-Jenny.
Ein wenig erinnerst du mich auch an Bettina Wegener von der Schreibe her.
Ich denke, es wird den Kerlen auch zu leicht gemacht und Verhütung überlassen Männer ohnehin gerne der Frau, welche wiederum lieber an die Romantik denkt.
Aber das tut der Qualität des Gedichts mit einer wunderbaren letzten Strophe keinen Abbruch.
Und wie man sieht, ist es auch diskussionsfähig.

Sirius

Herrlich, Jenny! Könnte glatt eine Moritat werden. Ich höre schon den Leierkastenmann in den Berliner Hinterhöfen.

Lottegrüße

Genau , scrabblix. Ich finde auch, dein Text, liebe Seeräuber-Jenny , hat absolut was von einer Moritat. Sehr fein das Ende, subtil in jeder Beziehung eingeläutet - ich hatte sehr viel Freude beim Lesen und gleichzeitig blieb sie mir im Halse stecken.

Kompliment!

Frollein a.

Ich geb's zu, Jonny, ich hab ein bisschen verallgemeinert. Nicht alle Männer sind schlecht und nicht alle Frauen sind gut. Leider sind Männer aus gutem Hause halt oft schlecht...

Reine Übungssache, lieber Sirius. Ich schreibe ja schon fast zehn Jahre in den Foren. Stimmt, Romantik, große Liebe, Familie, davon träumen die Frauen. Nur gibt es manchmal ein böses Erwachen.

Das wär was, liebe Lotte! Leider werden die Leierkastenmänner in den Hinterhöfen immer seltener. Früher haben wir noch in Papier eingewickelte Geldstücke aus dem Bürofenster geworfen.

Freut mich sehr, Frollein! Subtil in jeder Beziehung, das mag schon sein, die Beziehung des Mädchens mal ausgenommen.

Liebe Grüße
Seeräuber-Jenny

Liebe Seeräuber-Jenny,

das ist ganz schön makaber und ziemlich gekonnt umgesetzt.
Sehr unterhaltsam.

Lieben Gruß

Letreo

Danke, liebe Letreo. Es ist allen Frauen gewidmet, die sich nicht mehr ausnutzen lassen.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny