"Über Menschen"
Hart, aber herzlich
Juli Zehs Roman "Über Menschen" erzählt von einer Frau, die vor dem Corona-Lockdown aufs Land flieht und dort eine neue Gemeinschaft entdeckt.
Pünktlich und passend zum Jahrestag des ersten deutschen Lockdowns erscheint der neue Roman von Juli Zeh. Er liest sich wie ein Debattenbeitrag. These: Der Mensch ist unter dem Gesundheitsprimat der Pandemiebekämpfung um seine Freiheit gebracht worden, und er muss sie sich nun dringend wieder zurückerobern. Schon der Romantitel umreißt in programmatischer Unschärfe, worüber jetzt zu reden sei: Über Menschen. Und da der Mensch ja stets ein populäres Thema ist, sollte die Bestsellerautorin damit doch vielen Lesern aus dem Herzen sprechen.
Dora und Robert sind beide Mitte dreißig, sie Werbetexterin, er Journalist bei einer Online-Zeitung. Eine Milieustudie aus Berlin-Kreuzberg: Kinderloses Paar auf 80 Quadratmetern plus Balkon, beim Rotwein lassen die beiden ihre herausfordernden Arbeitstage ausklingen. Und leben sich auseinander. Zwar hat Dora einen lukrativeren Job an den Nagel gehängt und ist dafür jetzt bei einer Agentur, die nur Nachhaltiges bewirbt: vegane Schuhe, Fair-Trade-Schokolade, den plastiktütenfreien Tag. Doch das reicht nicht. Robert ist ein Gesinnungsmensch, wie Dora nie einer sein wird. Seine bedingungslose Hingabe an Fridays for Future, das unerbittliche Mülltrennungs-Regime: Aus Trotz entsorgt sie die Pfandflaschen eines Tages im Kompost. Kinder will Robert keine, weil sie die Klimaschutzbilanz einer längst übervölkerten Welt nur noch weiter verschlechtern würden.
Corona kommt da wie gerufen, denn Robert ist "in die Apokalypse verliebt". Und Dora? Sie verzweifelt an den Statistiken, die bald zum Gravitationszentrum der abendlichen Gespräche werden, sie misstraut den Virologen, auf die sich Robert triumphierend beruft. Beim Parkspaziergang gerät sie einem Mann mit Abstandsmessgerät in die Quere. "Bleiben Sie weg!", brüllt der sie an – was Robert nur vernünftig findet. Das ist also ihr Freund, den sie in Gedanken nur noch "Robert Koch" nennt. Kurzum: Dora muss raus. Kann man verstehen. Oder?
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https://www.zeit.de/2021/15/ueber-mensch...chaft-literatur
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