»Machtwechsel« ist nicht vorgesehen
von Uli Brockmeyer
Im Zusammenhang mit den Wahlen zum deutschen Bundestag ertönt aus allen medialen Rohren immer wieder das Wort »Machtwechsel«. Die Spitzenkandidaten kämpfen um »die Macht«, heißt es, und es gehe der CDU/CSU um den »Machterhalt«, während die Anwärterin und der Anwärter von Grünen und SPD »an die Macht« wollen.
Hier sei zumindest die Frage erlaubt, ob es sich bei solcher Art von Berichterstattung nicht schon um einen klassischen Wahlbetrug handelt. Den Wählerinnen und Wählern wird eingeredet, sie würden mit ihrer Stimmabgabe über die »Macht« im Land entscheiden. In Wirklichkeit wird von den Parteien, die sich in den nächsten Tagen, Wochen oder womöglich sogar Monaten um Sitze am Tisch der künftigen Regierung balgen werden, die Machtfrage überhaupt nicht gestellt. Denn sie wissen, daß weder der Bundestag, noch die Bundesregierung oder der Bundespräsident über wirkliche Machtbefugnisse im Staat verfügen.
Die tatsächliche Macht liegt allein in den Händen derer, die nicht zur Wahl antreten, weil sie im Besitz der Banken und Konzerne sind. Sie bestimmen, welche Politik ihren Profitinteressen am meisten nützt. In ihrem Sinne wurde der Staat konstruiert, mit seinem Grundgesetz, seinen Verfassungsorganen, der Justiz, der Polizei und nicht zuletzt der Armee. Die Damen und Herren in der Regierung dürfen sich maximal darüber einigen, mit welchen konkreten Mitteln und Methoden den Interessen der Besitzenden am effektivsten gedient wird.
Die Parteien, die sich seit dem blamablen Ergebnis der Wahl vom Sonntag nun über irgendeine Koalition streiten und sich irgendwann einigen werden, unterscheiden sich in ihrer Politik nur in Nuancen voneinander. Vielmehr wird es darum gehen, wer mit wem am wenigsten Reibungspunkte haben wird.
Ansonsten bietet sich in der bundesdeutschen Politik eines der traurigsten Schauspiele ihrer Geschichte. Der Kanzlerkandidat der Konservativen, der maßgeblich für ein historisch mieses Ergebnis für die CDU/CSU verantwortlich ist, erklärt allen Ernstes, er habe von den Wählerinnen und Wählern den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Und das für eine Partei, die nach Abzug der Nichtwähler nicht einmal annähernd auf 20 Prozent Unterstützung der Wahlberechtigten käme. Ebenso unsinnig ist es, wenn der SPD-Kandidat, der etwa einen Prozentpunkt mehr eingeholt hat, einen Regierungsauftrag für sich beansprucht.
Ein völlig verqueres Verständnis über Demokratie kommt auch darin zum Ausdruck, wenn sich Grüne und FDP vor laufenden Kameras einigen, als erste über eine mögliche Koalition zu verhandeln – in dem Wissen, daß sie für eine Regierungsbildung entweder auf die SPD oder die CDU/CSU angewiesen sind. Aber damit zeigt sich, wie nah sich die beiden Parteien der Besserverdienenden schon gekommen sind.
In den künftigen Verhandlungen, wer auch immer sie führen wird, geht es nicht um grundlegende Änderungen der Politik, die eigentlich dringend notwendig wären, sondern nur darum, wer die Interessen das Kapitals – Profit, Wachstum, Einfluß nach außen – am besten verwalten kann – und wer die besten Pfründe ergattern kann. War bisher die Partei Die Linke noch in einigen Fällen eine Stimme des Korrektivs im Bundestag, so hat sich das leider auch erledigt, nachdem die Partei in ihrem Streben nach Regierungsbeteiligung sich soweit verbogen hat, daß sie kaum noch von den eigentlichen Sozialdemokraten zu unterscheiden ist.
Es bleibt alles so, wie es ist. Ein »Machtwechsel« ist nicht vorgesehen.
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