Fragwürdige Visa-Vergabe: So erschwert das Auswärtige Amt den Familiennachzug
Tausende Familien müssen jahrelang darauf warten, zusammen in Deutschland leben zu können. Deutsche Behörden nutzen offenbar ihre Macht, damit sich das nicht ändert. Vor Gericht bietet das Auswärtige Amt systematisch einen Deal an: den „Berliner Vergleich”. Das zeigen Recherchen von Ippen Investigativ, FragDenStaat und dem ARD-Politikmagazin Kontraste.
Von Laurenz Schreiner
Fünfzehn Jahre nach seiner Hochzeit sitzt Tesfay Haile in einem Raum des Berliner Verwaltungsgerichts und muss sich erinnern: Welche Kleidung hatten seine Ehefrau und er damals an? Wie hieß der Priester? Wie lange ging die Feier? Was gab es zu essen? Von seinen Antworten hängt an diesem Tag im Sommer 2021 viel ab. Sie können beeinflussen, ob der 41-Jährige seine Ehefrau und seine vier Kinder endlich wiedersehen kann. Denn Hailes Familie wartet in Äthiopien und hofft auf ein Visum für Deutschland. Die deutsche Botschaft hat ihren Antrag auf Familienzusammenführung aber abgelehnt. „Eine wirksame Eheschließung wurde nicht nachgewiesen“, schrieb die Botschaft in der äthiopischen Stadt Addis Abeba im Herbst 2020. Seit über vier Jahren lebt die Familie mittlerweile getrennt.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht und weiteren Akten lässt sich die Geschichte der Familie Haile rekonstruieren. Tesfay Haile heißt eigentlich anders, er hat darum gebeten, seinen Namen nicht zu nennen. Nach der Erfahrung mit dem Visaverfahren fürchtet er weitere Auseinandersetzungen mit den deutschen Behörden. Eigentlich kommt seine Familie aus Eritrea.
Tesfay Haile floh 2016 aus dem Land, für das ein UNHCR-Bericht ein Jahr zuvor „systematische, weit verbreitete und schwere Menschenrechtsverletzungen“ feststellte. Auch nach dem offiziellen Ende des Kriegs mit Äthiopien kam es zwischen beiden Staaten immer wieder zu Auseinandersetzungen. Also machte sich Haile nach eigenen Angaben über den Sudan, Libyen und das Mittelmeer auf den Weg nach Europa. Seine Frau, seine drei Töchter und sein Sohn blieben zunächst in Eritrea und flohen 2017 nach Äthiopien. Das jüngste Kind ist damals vier Jahre alt.
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