Steuerparadies Deutschland: Über die CumEx-Files 2.0 und null Bock auf Aufklärung
Ein internationaler Rechercheverbund deckt auf: In 20 Jahren haben Banken, Hedgefonds und andere Finanzjongleure weltweit 150 Milliarden Euro durch Aktienschiebereien ergaunert – mindestens. Das Geld ging für Villen, Yachten und Sportboliden drauf und fehlt zum Beispiel für Schulbau, bessere Pflege und öffentlichen Nahverkehr. Die Steuerdiebe markieren das Unschuldslamm, rauben munter weiter und die Politik erledigt mit zahnlosen Gesetzen hilfreiche Zubringerdienste. Nebenbei versagen entkernte Aufsichtsbehörden und überlastete Gerichte bei der Arbeit. Bundesfinanzminister Scholz ist trotzdem zufrieden – und darf Kanzler werden. Von Ralf Wurzbacher.
Wie ließen sich Finanzschiebereien der Sorte Cum-Ex und Cum-Cum unterbinden, die allein hierzulande einen Schaden von weit über 30 Milliarden Euro angerichtet haben? Man müsse, so der Vorschlag des britischen Investmentbankers Sanjay Shah, jede Aktie mit einer Art Barcode markieren, wodurch sie spezifisch und unverwechselbar wird. So könnten Finanzämter erkennen, dass sie für dasselbe Wertpapier mehrfach Steuern erstatten. „Ich glaube, das wäre einfach umzusetzen.“
Warum etwas einfach machen, wenn es auch komplizierter geht, beziehungsweise, man die Dinge einfach laufen lässt und einfach gar nichts macht? So wie zum Beispiel die hiesigen Politiker, Aufsichts- und Regulierungsbehörden, unter deren Augen die deutsche Staatskasse über Jahre und Jahrzehnte hinweg von abgebrühten Bankern, Tradern und ihren Anwälten hemmungslos ausgeraubt wurde. Obwohl die Machenschaften seit spätestens Anfang der 2020er-Jahre im Gange waren, schritt die Bundesregierung erst 2012 zur Tat und erließ ein Gesetz, das wenigstens die klassischen Cum-Ex-Geschäfte verhindern sollte. Woraus dann aber nichts wurde, wie die vor drei Jahren von einem internationalen Journalistenteam veröffentlichten CumEx-Files bewiesen. Offenbar ist Cum-Ex selbst heute noch nicht komplett aus dem Spiel genommen – und selbst wenn die Politik die Schlupflöcher wirklich dichtgemacht hätte, wäre das auch egal: Das globale Finanzcasino hat längst für Ersatz gesorgt.
Jüngstes Zeugnis darüber legen die in der Vorwoche publizierten CumEx-Files 2.0 ab, so etwas wie das Update der Enthüllungen von 2018. Weil der große Raubzug immer weitergeht, ist dessen wahres Ausmaß eigentlich gar nicht zu fassen. Dabei hinterlassen schon die bekannten Dimensionen nichts als Fassungslosigkeit. Die Recherchen von vor drei Jahren hatten die Verluste für die Allgemeinheit auf über 55 Milliarden Euro allein in Europa taxiert. Nach den neuesten Kennzahlen waren es zwischen 2000 und 2020 weltweit mindestens 150 Milliarden Euro, wobei das Kerngeschäft mit rund 145 Milliarden Euro auf europäischer Ebene liegt. Die USA mit 4,9 Milliarden Euro (jedoch nur im Zeitraum 2000 bis 2008) sind dagegen fast glimpflich davongekommen. Die Finanzaufsicht trat dort vergleichsweise früh mit Gegenmaßnahmen auf den Plan und ein seit 2010 wirksames Gesetz machte zumindest die Cum-Ex-Mauscheleien unmöglich. Auch legt die Justiz eine härtere Gangart als in unseren Gefilden an den Tag. Seit 2017 wurden immerhin Strafen in Höhe von 380 Millionen Euro gegen 15 Banken verhängt.
Weiterlesen:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=77327
Reset the World!
Beiträge: | 27.113 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |