Katharina Hacker: „Die Gäste“
Pandemien und andere Fährnisse: Katharina Hackers Roman „Die Gäste“ erzählt von demnächst.
Erzählende Literatur reagiert nicht pfeilschnell, aber über die Monate und Jahre ist ihr doch mehr zur Corona-Pandemie eingefallen als zum Beispiel dem „Tatort“. Man muss von Juli Zehs „Über Menschen“, erst recht von John von Düffels „Die Wütenden und die Schuldigen“ nicht begeistert sein, man kann sich an Elfriede Jelineks „Lärm“ die Zähne ausbeißen und Gary Shteyngarts soeben auf Deutsch erschienene „Landpartie“ unbedingt bevorzugen, und wird doch allemal Respekt davor haben, dass die offensichtliche Realität dieser Jahre im Roman einen recht facettenreichen Spiegel findet. Tut sich der auf Gegenwart spezialisierte Sonntagabendkrimi schwerer damit, ist er deshalb so scheu, weil man dort dachte, das werde alles rasch vorbei sein? Wäre das nicht erst recht ein Grund gewesen, für die Nachwelt festzuhalten, wie wir für zwei, drei Monate gelebt haben? Zwei, drei Monate, aus denen schon zwei, drei Jahre geworden sind?
Jetzt ist freilich erst einmal Sommer. „Im Winter“, sagt Pollux, „gibt es Krankheiten und Unglücke, im Sommer gibt es nichts davon.“ Pollux ist ein Hund. Dass er sprechen kann, ist nicht das sonderbarste Vorkommnis in Katharina Hackers Roman „Die Gäste“. Nicht auszuschließen, dass sich die Erzählerin das einbildet. Den manchmal mitredenden Hund ebenso wie die anderen sprechenden Tiere, Raben, Katzen, Ratten. Die Ratten leben im Keller der Erzählerin nach eigenen, militanten Gesetzen. Schön ist das nicht, aber was soll sie machen.
„Die Gäste“ – die redseligen Tiere weisen den Weg – ist ein Märchen, ein Stück fantastische Literatur. Es spielt in Berlin und nicht jetzt, aber demnächst. Die Pandemie ruht in den Sommern, in den Wintern kehrt sie auf die eine oder andere Weise wieder. Dann fahren kleine Wagen durch die Straßen und versprühen Nebel, der nach Zitrone riecht, Uniformierte gehen mit Messgeräten herum, die roten Drohnen der Stadtverwaltung kreisen. „Sehen Sie, draußen fängt es wieder an“, heißt es dann.
Manchmal folgt eine kurze Ausgangssperre. Wenn die Menschen sich danach wieder auf die Straße wagen, tragen sie Wollmützen mit Knöpfen, an denen sich die Masken befestigen lassen. Wenn es heißt, dass die Masken nicht helfen, helfen vielleicht Handschuhe, und wenn die Leute beim Husten Blut spucken, bringt ein Findiger rote Taschentücher auf dem Markt. Die Erzählerin erzählt das ohne zynischen Unterton. Weitere Schwierigkeiten – Trockenheiten, Brände, Fluten, aber auch Heckenschützen, die keck am Tage beliebig Menschen erschießen – gibt sie lakonisch zu Protokoll.
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