Christian Baron: Schön ist die Nacht
Christian Baron ist der Schriftsteller, der die nicht vom Wohlstand verwöhnten Deutschen im Blick hat wie kein Zweiter. Sein neues Buch spielt in den 1970ern. Was die Leute damals umtrieb, kommt uns plötzlich sehr bekannt vor: Energiekrise und Inflation.
Da will jemand Schriftsteller werden. Vielleicht, weil er sich im Germanistikstudium langweilt. Vielleicht, weil er zu viele Hollywoodfilme gesehen hat, in denen der hoffnungsfrohe Nachwuchsautor nicht nur das hübsche Mädchen bekommt, sondern auch einen Bestseller landet. Das will der Germanistikstudent auch. Wenn da nicht dieses kleine Problem wäre: Worüber soll er schreiben? Er weiß es ja leider: Ihm fehlt die Fantasie, um eine Harry-Potter-Welt zu erschaffen. Also beschließt er, über sich selbst zu schreiben. Über seine Reihenhauskindheit in der Provinz und wie schrecklich langweilig und spießig dort alles war. So entsteht Popliteratur. Oder das, was man in Deutschland dafür hält. Hunter S. Thompson hätte sich vor Lachen gekringelt.
Christian Baron verlebte keine Reihenhauskindheit. Und nach der Lektüre seines Debütromans „Ein Mann seiner Klasse“ überkamen einen keine Pop-Gefühle, sondern der Blues. Es war eine Chronik des Schreckens. Der Vater ein ungelernter Möbelpacker, der betrunken zur Bestie wurde – und er war oft betrunken. Und eine Familie, die jeden Tag erlebte, was es heißt, ganz unten zu sein. Man mochte beim Lesen nicht glauben, dass dieses in jeder Hinsicht grausame Leben im wohlstandsverwöhnten Mittelschichtsdeutschland noch möglich war. So wurde „Ein Mann seiner Klasse“ zum Erweckungserlebnis einer Literaturwelt, die viel zu lange nur um sich selbst gekreist hatte.
Christian Baron brachte eine Rohheit und Unmittelbarkeit zurück, wie man sie seit dem viel zu früh verstorbenen Jörg Fauser („Rohstoff“) nicht mehr gekannt hatte. Jetzt erscheint Barons zweiter Roman, „Schön ist die Nacht“. Und natürlich muss die Frage wie nach jedem Raketenstart-Debüt lauten: Hält der Senkrechtstarter das Niveau, oder folgt auf den Höhenflug der Absturz? Baron muss sich diese Frage auch gestellt haben. Denn statt den einmal eingeschlagenen Weg fortzusetzen und mehr vom Gleichen zu liefern, wie man es von Filmsequels kennt (noch mehr Action, noch mehr Gewalt, noch mehr Schockeffekte), geht er eine Generation zurück und liefert das Prequel seiner Unterschichtsaga: von den Eltern zu den Großeltern.
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