Christian Lindner und der nächste Coup der Bankenlobby
Weil sie als einer der Auslöser für den Zusammenbruch der Finanzmärkte 2008/2009 gelten, wurden Verbriefungen nach der globalen Finanzkrise etwas schärfer reguliert.
Jetzt will die Bankenlobby die Regeln aufweichen.
Finanzwende hat interne Dokumente ausgegraben, die zeigen: Das Finanzministerium kopiert die Forderungen und Argumente der Lobby.
Das Instrument der Verbriefung erlaubt es Banken, ihre Risiken an andere Investor*innen zu verkaufen. Dazu werden Kredite – für Autos, den privaten Hausbau, Unternehmen – zu Bündeln geschnürt und in Form von Wertpapieren an den Kapitalmärkten verkauft. Der Vorteil für die Bank: Die Kredite verschwinden aus der Bilanz. Das Eigenkapital, das sie für den Fall zurücklegen muss, dass Kredite nicht zurückgezahlt werden können, wird reduziert.
Im Vorfeld der Finanzkrise 2008/2009 wurden die Risiken vieler US-Immobilienkredite durch solche Neu-Verpackungen verschleiert und überall im Finanzsystem verteilt – bis hin zu den deutschen Landesbanken. Als die Blase am US-Immobilienmarkt platzte, wurden die als sicher angepriesenen Investments wertlos und rissen die Bankbilanzen mit in den Keller. Es war der Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Viele Verbriefungen galten von nun an als „Giftmüll“ der Finanzmärkte.
Jetzt will die Bankenlobby Verbriefungen wieder salonfähig machen. Davon würden Großbanken wie die Deutsche Bank profitieren, die das Instrument nutzen, um weniger Eigenkapital einzusetzen und mehr Gewinne machen zu können. In Brüssel und Berlin trommeln Banken und ihre Interessenvertreter*innen dafür, bestehende Transparenzvorschriften und Eigenkapitalanforderungen für Verbriefungen zu schleifen. Es brauche eine Erleichterung der „überholten und restriktiven europäischen Vorschriften”, so Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing auf dem Europäischen Bankenkongress in Frankfurt im November 2022.
Schon wenig später hatten Sewing und die Bankenlobby Anlass zur Freude. Anfang Januar 2023 schickten das Finanzministerium in Berlin und das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen in Paris ein gemeinsames Papier an die Europäische Kommission nach Brüssel. Ihre Forderung: eine „umfassende Überprüfung“ der EU-Regeln für Verbriefungen sowie eine Reihe konkreter Deregulierungs-Vorschläge, die kurzfristig umgesetzt werden sollten.[1] Es sei an der Zeit „unsere äußerst restriktive Haltung zur Verbriefung [zu] überprüfen“, erklärte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Vorstoß. Deutsche-Bank-Chef Sewing dankte ihm „ausdrücklich für seine Initiative”.
Nur: Woher kam Lindners Initiative? Wie kamen die Finanzministerien in Deutschland und Frankreich zu einer gänzlich anderen Einschätzung als die EU-Kommission und die europäischen Finanz-Aufsichtsbehörden? Die hatten den Rechtsrahmen für Verbriefungen nämlich kurz vorher umfangreich analysiert, für gut befunden und größere Änderungen ausgeschlossen.
E-Mails aus dem Finanzministerium, die Finanzwende durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat, zeigen nun: Lindner und sein französischer Kollege Bruno Le Maire verabredeten den Vorstoß im Herbst 2022; Le Maires Ministerium schickte dann den ersten Entwurf.[2] Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn ein anderes internes Papier, das Finanzwende vorliegt, belegt: Die Bankenlobby hat lange auf einen Deregulierungs-Vorstoß bei den Verbriefungen gedrungen. Und Berlin und Paris haben ihre Forderungen eins zu eins übernommen.
Weiterlesen:
https://www.finanzwende.de/themen/finanz..._eid=7a83bdcc66
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