Ringsherum Barbaren
Jetzt auch noch Italien: Langsam aber sicher ist Deutschland das letzte anständige, aufrichtige, ehrliche Land auf Erden. Ein Zustand, den Medien und Politiker seit Jahren auskosten.
Wir sind umzingelt. In Schweden die Schwedendemokraten, Italien hat Meloni, die Türken seit Ewigkeiten ihren Erdoğan. In Polen haben wir stockkoservative Hardliner am Werk, in Ungarn Orbán. Und in Russland, tja, wir wissen es ja – die Amerikaner hatten Trump und taumeln jetzt auf DeSantis zu. Johnson ist weg, aber Liz Truss soll noch schlimmer sein. Österreich gehört immer wieder Populisten. Es kristallisiert sich heraus, dass Deutschland der letzte Hort anständiger, aufrechter Politikerinnen und Politiker ist. Der Platz, an dem nicht Egomanen und Despoten walten, sondern warmherzige Menschen, die sich für die Allgemeinheit einsetzen und ihr Mandat noch ernstnehmen.
Daher wird es für dieses Deutschland ja auch zunehmend schwieriger, mit der Welt Geschäfte zu machen. Denn alle sind so viel schlechter, so viel unmoralischer als wir. Mit Anrüchigen handelt man nicht. Oder so wenig es geht. Den Bürgerinnen und Bürgern vergisst man nicht zu vermitteln, dass hier, in diesem Home of the Braven, noch alles richtig läuft, während die Welt um uns herum zusammenfällt. Wer hier lebt soll Gott oder wem auch immer auf Knien danken: Denn hier drängt die Vernunft ins politische Amt und nicht das Böse, so wie im Ausland, so wie fast überall um uns herum.
Diese launige Auflistung des vermeintlich global-politischen Niedergangs, ist eigentlich etwas ganz anderes: Nämlich das Kapital der deutschen Politik. Es hat sich speziell in der letzten Dekade eine Haltung im politisch-medialen Komplex herauskristallisiert, die nicht mehr mit nüchterner Distanz die politischen Geschehnisse im Ausland abhandelt, sondern mit chauvinistischer Überbetonung hantiert. Neben diesen zugegeben teilweise recht zweifelhaften Herrschaften, gelingt es fast spielend, die grotesken politische Kader Deutschlands als einen Segen an die Rezipienten zu bringen. Indem man deren Eskapaden richtig betont oder ihnen gar welche andichtet und dazu synchron deren berechtigte Anliegen ausblendet, hübscht sich unser politisches Personal auf.
Neben so ausgefransten Figuren sieht mancher unserer unübertrefflichen Funktionäre plötzlich so aus, als hätte er Kontur und Profil. Und natürlich Haltung, denn Haltung ist in Deutschland die halbe Miete und die ganze Karriere. Mit diesem billigen Kniff arbeitet hierzulande die Aufhübschungspresse, so kaschiert sie die Unzulänglichkeiten der hiesigen politischen Kaste. Denn es gibt im Ausland immer noch jemanden, der womöglich ein schlimmerer Finger ist, als die schlimmen Finger, die in unserer zentraleuropäischen Bananenrepublik wüten. Und wenn es dort ad hoc keinen gibt, schraubt man lange genug an den Stereotypen, bis der ausländische Vertreter seiner Zunft wie eine Witzfigur aussieht. In dem Moment hat dann sogar der stiere Blick aus dem Gesundheitsministerium halbwegs eine Chance, als vernunftbegabter Primat durchgewunken zu werden.
Die fehlende Kompetenz, die ökonomische Ahnungslosigkeit, diese Politik nach Haltungsnoten und nicht nach Inhalten, der moralistische Eifer oder einfach nur die brutale Verschlagenheit derer, die sich in der hiesigen Politik tummeln: All das wird in diesem Deutschland gar nicht zum Thema gemacht, solange im uns umgebenden Ausland Modelle dieser Zunft zu bewundern gibt, die recht einfach zu mahnden Beispielen stilisiert werden können.
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