Draußen Held, drinnen Gewalt
Das Schweigen der Spielerfrauen
Schmutzkampagnen, Schläge, Tritte, Psychoterror – mehrere Ex-Partnerinnen von Profifußballern sprechen gegenüber CORRECTIV und Süddeutscher Zeitung erstmals von struktureller Gewalt. In einigen Fällen wurden sie mit Verschwiegenheitsverpflichtungen zum Schweigen gebracht.
Das Ende beginnt für Katarzyna Lenhardt mit einem Vertrag, der sie zum Schweigen bringen soll. Als sie das Papier unterschreibt, setzt sich um sie herum eine Maschinerie in Gang. Sie wird geahnt haben, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Was genau sich um sie zusammenzieht, kann sie zu der Zeit noch nicht wissen. Es ist bereits spät in der Nacht, ein Montag, der 25. Januar 2021. Lenhardt hat da noch 15 Tage zu leben.
Geht man von dem aus, was Lenhardt selbst kurz danach angeblich zu ihrer Mutter gesagt hat, soll ihr Ex-Freund, das Fußball-Idol Jérôme Boateng, sie aufgesucht und gedrängt haben, eine sogenannte Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterzeichnen.
Mit dem Vertrag verpflichtet sie sich offenbar noch in der Nacht zu „absolutem Stillschweigen“ über alles, was während der Beziehung zwischen ihr und Boateng geschah. Alle SMS, E-Mails, Dateien, Fotos muss sie „unverzüglich“ und „unwiederbringlich“ von sämtlichen Speichern löschen.
CORRECTIV und Süddeutsche Zeitung (SZ) haben Boateng über seinen Strafverteidiger einen ausführlichen Fragenkatalog geschickt und ihn mit allen Vorwürfen konfrontiert. Der Anwalt schickt dazu eine kurze Stellungnahme, ohne auf einzelne Punkte einzugehen: „eventuelle mediale Spekulationen” kommentiere man derzeit nicht. Auch auf die Frage, wie die Verschwiegenheitsverpflichtung zustande kam, geht er nicht ein. Ob Boateng in jener Nacht also wirklich Lenhardt aufgesucht hat, um die Unterzeichnung der Verschwiegenheitsvereinbarung zu fordern, bleibt ungewiss.
Mit juristischen Verträgen wie diesem werden Spielerfrauen zum Schweigen gebracht. Selbst wenn sie Gewalt oder Psychoterror erfahren, trauen sie sich nicht zu reden, aus Angst vor hohen Vertragsstrafen. CORRECTIV und SZ decken mit dieser Recherche ein System im Profifußball auf, in dem Gewalt weggeschwiegen wird und das Fachleute in Teilen für rechtswidrig halten.
Katarzyna Lenhardt, genannt Kasia, wurde 2012 als Kandidatin bei Germany’s Next Topmodel bekannt. Sie bekommt einen Sohn, fängt ein Studium an, arbeitet als Model und Influencerin. 2018 lernt sie den Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng kennen. Für sie führt die Beziehung in eine Spirale aus Hass, Erpressung, Gewalt und Intrigen. Am Ende wird sie tot in der gemeinsamen Wohnung gefunden, offenbar Suizid.
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https://correctiv.org/top-stories/2022/1..._eid=7a83bdcc66
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