Martin Mosebach: Taube und Wildente
Die Fallstricke einer Ehe und die Faszination eines Gemäldes: Martin Mosebach erzählt fast altväterlich von Menschen und Bildern.
Berlin - Der hochgebildete Kleinverleger Ruprecht Dalandt verbringt den Sommer mit seiner Familie samt erwachsener Stieftochter und zwei Verlagsangestellten im herrschaftlichen, etwas heruntergekommenen Anwesen seiner Frau Marjorie in der Provence - in Sichtweite des berühmten Montagne Saint-Victoire, den Paul Cézanne sein Leben lang gemalt hat.
Man plaudert, spielt Klavier, diskutiert über Kunst und noch mehr über Geld, geht zwischendurch fremd, beobachtet die Hausangestellten und lässt sich beobachten, während die Grillen zirpen und die Hitze schläfrig macht.
Dies ist das bukolisch-putzige Tableau von Martin Mosebachs neuem Roman „Taube und Wildente“, in dessen Zentrum aber gerade nicht der weltberühmte Erneuerer und Avantgardist Cézanne steht, sondern ein eher obskures Tier-Stillleben des deutschen Porträtmalers Otto Scholderer (1834-1902), eines von etlichen Kunstwerken, die im Haus der wohlhabenden Familie von Marjorie verteilt hängen.
Scholderer, der wie der Büchnerpreisträger Mosebach in Frankfurt am Main geboren wurde, zählte nicht zur „Vortruppe der Fortschrittsarmee“, wie es im Roman heißt, und vielleicht rührt daher die Faszination, die sein Gemälde auf den Geistesmenschen Ruprecht ausübt. Er entdeckt die vielfältigsten Nuancen und Qualitäten in Scholderers „Tote Feldtaube und Wildente“, das zu einem Zentrum seiner geistigen Existenz geworden ist. Da ist es dann doch sehr ärgerlich, dass seine geschäftstüchtige Ehefrau das Kunstwerk schnöde verkaufen will, um die längst fällige Sanierung des Hausdaches bezahlen zu können. Unter südlicher Sonne bahnt sich ein Drama an. Aber komisch kann es mitunter auch werden: Über einen Wiedehopf im Garten heißt es, er sei „geschäftig wie auf einem Botengang“.
Sehr gekonnt inszeniert Mosebach in dieser tragikomischen Ehekomödie die kleinen Bosheiten, die versteckten Seitenhiebe, das beredte Schweigen bei Tisch. Marjorie betrügt ihren Mann sehr gewissenhaft und regelmäßig mit dem drahtigen Verwalter, der vorne im Pförtnerhäuschen wohnt, aber auch Ruprecht hat ein erotisches Geheimnis. Und trotzdem bilden diese abgrundtief unsympathischen Eheleute eine Schicksalsgemeinschaft, die wie ein Bollwerk allen Zumutungen des Lebens trotzt. Erzählt wird dies alles mit fein ziselierter Ironie, die aber die antimodernen Affekte des Autors nur mühsam kaschiert.
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