Martin Mosebach: Taube und Wildente
Bücher brauchen tote Enden, sagt Martin Mosebach. Sackgassen, in denen es nicht weitergeht, in denen man steckenbleibt, kehrtmacht, sich neu orientiert. „Werke profitieren davon, wenn sie eine Wendung genommen haben, die den Autor überrascht“, sagt er im Literaturhaus Frankfurt. Der Schriftsteller gehöre zum „Ensemble dieser Institution“, sagt Hausherr Hauke Hückstädt – durchschnittlich alle zwei Jahre hat Mosebach an der Schönen Aussicht einen neuen Roman vorgestellt. Nun geht es um „Taube und Wildente“, die Geschichte einer trotz ihres Reichtums um Besitztümer streitenden Familie zwischen Sommer und Winter, Südfrankreich und Frankfurt.
.. „Ich habe mich führen lassen“, sagt Mosebach: „Den Ort, an dem man lebt, sollte man sich nicht aussuchen.“ Man müsse, fügt er hinzu, „mit den Mädchen tanzen, die da sind“. Dass er seine Weisheitslehre in diesem Punkt nicht ganz ernst nimmt und liebend gern mit Schönheiten von anderswo zum Ball geht, zeigt sich an seinen zahlreichen Reisen, ohne die es Mosebachs Romane gar nicht gäbe. Er schreibt lieber woanders als in der Heimatstadt, dem Ort „ohne zu starke Eigenschaften“, dem „großen Rahmen mit nix drin“.
In Hamburg, München und Berlin müsse man fortwährend Hamburger, Münchner oder Berliner sein: „Das tun die Frankfurter nicht. Sie nehmen die Stadt auch nicht besonders ernst.“ Weswegen Mosebach seine These von der respektlosen Nicht-Stadt auch gleich an den ihr gewidmeten Büchern ausprobiert: „Der Frankfurt-Roman ist nicht möglich. Er kann nur auf Erfindungen beruhen.“ Was im Grunde nur heißt, dass er bestens möglich ist. Erfindungen sollen in Romanen schließlich schon vorgekommen sein. Er selbst habe allerdings „nicht viel Phantasie“, sagt Mosebach. Zum Glück: „Ich finde sie ein bisschen langweilig. Sie gibt der Kunst keine Hindernisse auf.“ Man müsse sich „am Leben erproben“, nicht auf das eigene Vorstellungsvermögen verlassen.
Wie hart das Leben ist, zeigen Mosebachs Figuren, hier zielstrebig, dort schwächlich, aber stets auf ihre eigene Bequemlichkeit bedacht: „Sie wissen so viel voneinander. Sie beobachten sich. Das hat Folgen.“ Die Katze, die in der grandiosen Eröffnungsszene eine Zikade fixiert und durch wiederholte Schläge mit der Pfote tötet, weiß über sich und ihr Opfer anderes als der Sommerhausbewohner, der ihr dabei zusieht. Aber sie steht als Emblem für das, was sich zwischen den menschlichen Hausgenossen abspielt. Und für das oft grausame Spiel, das die Autorenkatze mit der Stoffzikade treibt. „Tiere sind Überwinder der Geschichte“, sagt Mosebach: „Sie sind immer dieselben.“ Ohne die „ständigen mentalitätsmäßigen Verwandlungen, in denen die Menschen leben“. Er gehe noch weiter: „Ich könnte sie vergöttlichen.“ Denn man könne auch im Tier „das Unveränderliche verehren“.
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