Die Lobby-Europameister
Deutsche Unternehmen investieren Millionenbeträge für Lobbyarbeit bei der EU – für Glyphosat und Pestizide, gegen die Klimapolitik, für Verbrennermotoren.
Deutsche Unternehmen investieren hohe Summen, um die Politik der EU in ihrem Sinne zu beeinflussen. Mit bis zu sieben Millionen Euro wendet der Bayer-Konzern das meiste Geld dafür auf. Seinen Schwerpunkt bildet die Regulierung von Glyphosat und anderen Pestiziden. Zu den weiteren Zielgebieten der Bayer-Lobbyisten zählen die Umwelt-, Klima-, Gentechnik- und Handelspolitik. Autohersteller wie VW, BMW und Mercedes vertreten ihre Interessen in Brüssel ebenfalls mit hohem finanziellen Nachdruck – von den Vorschriften zu Abgasen und CO2-Emissionen bis hin zu den Handelsbeziehungen zu China und den USA. Nach Einschätzung des Think-Tanks InfluenceMap spielen die deutschen Autobauer eine führende Rolle im Kampf gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise. Der Energieriese E.ON operiert ebenfalls mit einem großen Lobbyetat – in Sachen Green Deal, Strom- und Gasmarktdesign sowie Wasserstoff. Zudem trafen seine Manager mehrmals mit EU-Offizellen zusammen. So nahm der Vorstandsvorsitzende Leonhard Birnbaum gemeinsam mit den Bossen von Shell und anderen Global Playern an einem Treffen zur Neuordnung der EU-Energiepolitik nach dem Ukraine-Krieg teil.
Der Agrarriese Bayer gab im vergangenen Jahr rund 6,5 bis 7 Millionen Euro für das Lobbying in EU-Angelegenheiten aus. Gemeinsam mit Apple führt er die Lobby-Rangliste an, die die beiden Initiativen Corporate Europe Observatory und LobbyControl erstellt haben.[1] VW und BASF finden sich mit einem Etat von 3 bis 3,5 Millionen auf Platz zehn wieder. BMW gab 2 bis 2,5 Millionen für die Pflege der politischen Landschaft aus, die Deutsche Telekom 2,25 bis 2,5 Millionen, die Allianz 2 bis 2,24 Millionen, die Deutsche Bank 1,7 bis 2 Millionen und E.ON 1,2 bis 1,5 Millionen.[2]
Der Bayer-Konzern beschäftigt in seinem Brüsseler „Verbindungsbüro“ laut EU-Transparenzregister 74 Vollzeit- oder Teilzeitkräfte. Fünfzehn von ihnen haben exklusiven Zutritt zum Europäischen Parlament. Seit November 2014 brachten sie es auf 41 Treffen mit EU-Kommissaren oder deren Kabinettsmitgliedern. Einflussarbeit betrieben die Lobbyisten dabei zu Themenfeldern wie dem Green Deal, der EU-Agrarstrategie „From Farm to Fork“ sowie den Aktionsplänen für eine Reform des Patentrechts und für eine Reduzierung der Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden. Auch Gebiete wie die Gentechnikregulierung sowie die Wasserrahmenrichtlinie, die Trinkwasserrichtlinie und die Chemikalienrichtlinie standen auf der Agenda. Zudem antichambrierte das Unternehmen zur Klimapolitik der EU und zum geplanten Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay.[3]
Einen Schwerpunkt der Bemühungen bildete die Pestizidregulierung der EU im Allgemeinen und die des Herbizids Glyphosat im Besonderen. Allein die PR-Agentur Rud Pedersen erhielt von dem Leverkusener Konzern nach Recherchen der NGO Coordination gegen BAYER-Gefahren 1,3 Millionen Euro, um im laufenden Verfahren für eine Verlängerung der Zulassung zu werben. Mit ähnlichem Aufwand versucht der Global Player, den von der EU im Rahmen des Green Deals verkündeten Plan zu hintertreiben, den Gebrauch von Agrochemie bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu senken. „Anstatt über die Verringerung der Mengen zu sprechen, müssen wir uns auf die Verringerung der Umwelt-Auswirkungen konzentrieren“, forderte der Konzern in einer öffentlichen Anhörung.[4] Eine Umsetzung des Reduzierungsvorhabens hätte Bayer zufolge drastische Folgen. „Die Nahrungsmittel-Produktion in der EU könnte zurückgehen, wenn die Ziele des Green Deal vollständig umgesetzt würden“, warnte der Konzern in dem Nachrichtenmedium Politico, das er ebenso wie das gleichfalls breit über die EU-Politik berichtende Internetmedium Euractiv mit hohen Summen sponsert.[5] Ein Übriges tun die europäischen Verbände der Agroriesen wie CropLife Europe oder Copa-Cogeca; sie gaben nicht weniger als fünf Studien zur Stützung der Positionen der Industrie in Auftrag. Überdies bauten sie über die USA Druck auf die EU auf. Auf diesem Wege gelang es der Branche bereits, entscheidende Veränderungen durchzusetzen. So lässt die EU-Kommission im jetzt vorliegenden Entwurf zur Agrochemie den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Regelung viele Freiräume und erklärt eine rechtliche Bindung an die 50-Prozent-Vorgabe lediglich zur „präferierten Option“.
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https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9064
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