GEWINNER IN DER NOT
Die Krise macht reich
Deutsche Bank, Mercedes und Unicredit erzielen Rekordgewinne. Bei einem Großteil sozialer Einrichtungen droht bald das Licht auszugehen
Inflation, Rezession, Depression? Schluss mit der Heulerei, die Geschäfte laufen doch bestens! Die allgemeine Notlage ist unter anderem für die großen Geldinstitute ein Segen. Während die italienische Unicredit ihren Gewinn von Juli bis September um 62 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro hochtreiben konnte, vermeldete die Deutsche Bank am Mittwoch einen Nachsteuergewinn von 1,2 Milliarden Euro für das dritte Quartal. Mehr Geld in drei Monaten hat der Konzern seit 2006 nicht mehr verdient.
So auch Mercedes-Benz: Der Autobauer aus dem Ländle hat seinen Gewinn im dritten Quartal mal eben verdoppelt – auf fast vier Milliarden Euro gegenüber 1,9 Milliarden im Vorjahresvergleich. Von wegen Absatzeinbruch, weil sich die Edelkarossen keiner mehr leisten kann. Die Untertürkheimer haben die Verkaufsanteile bei den »Top-End- und Elektrofahrzeugen« sogar gesteigert und können auch künftig auf eine »robuste Nachfrage nach unseren begehrenswerten Produkten« setzen, wie der Konzern am Mittwoch mitteilte. Energiekrise? Nicht mit Benz-Finanzvorstand Harald Wilhelm. Der kündigte die baldige Errichtung eines Windparks im norddeutschen Papenburg an, der ab 2025 mehr als 15 Prozent des Strombedarfs der deutschen Produktionsstandorte decken werde. Wer es sich leisten kann.
Nach einer Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbands unter seinen Mitgliedern sehen sich aktuell 90 Prozent von mehr als 1.300 sozialen Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet. Fast die Hälfte glaubt, das Angebot bei ausbleibender Hilfe für noch maximal ein Jahr aufrechterhalten zu können. Der Verband fordert einen umfassenden Schutzschirm für die Branche in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags und mahnt Eile an. Andernfalls »droht im Sozialen ›Tabula rasa‹«, warnte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider am Freitag. Wie wäre es damit, das Geld bei den Begüterten abzuholen? Ende Oktober jährt sich zum fünften Mal ein Urteil des Bundesfinanzhofs, nach dem das Erbschaftssteuerecht in Teilen verfassungswidrig ist. Vor allem die Privilegierung von Firmenerben, die nur einen Bruchteil der üblichen Steuerlast entrichten, gehörte längst abgeschafft. Aber die neue Bundesregierung ignoriert einfach wie davor die alte den Richterspruch, worauf am Montag Aktivisten des Vereins Finanzwende in Berlin aufmerksam machten. »Es verkehrt das Leistungsfähigkeitsprinzip ins Gegenteil, dass bei den Reichsten die mit Abstand größte Steuersubvention landet«, monierte Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
Dabei gibt es Leute, die gerne mehr von ihrem Reichtum abgeben würden, zum Beispiel die Millionenerbin Stefanie Bremer (Pseudonym) von der Initiative »Taxmenow«. In einem Interview mit Focus online sprach sich die 33jährige zuletzt für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer aus, die nach Einspruch des Bundesverfassungsgerichts 1996 ausgesetzt worden war. Die höchstrichterlich verlangte Überarbeitung der Regelung hat sich die Politik seit nunmehr 26 Jahren »gespart«. In der Krise geht es Bund, Ländern und Gemeinden ohnedies ziemlich komfortabel. Nach der neuesten Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung, über die am Dienstag das Handelsblatt berichtete, können die Staatshaushalte von 2022 bis 2026 mit insgesamt 110 Milliarden Euro mehr rechnen als ursprünglich erwartet. Haupttreiber der Entwicklung ist demnach die hohe Inflation.
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