Samantha Harvey : Das Jahr ohne Schlaf
Nachts rinnt die Zeit, dann klumpt sie
Mit spitzem Humor erkundet die britische Schriftstellerin Samantha Harvey ihre Schlaflosigkeit. Und die vielen Arten von Dunkelheit, die nur kennt, wer nachts wach liegt.
Laut eines allseits bekannten Gassenhauers tanzt es sich mit tausend Glücksgefühlen "atemlos durch die Nacht". Was in diesem Schmachtfetzen, der auf keiner Betriebsfeier fehlen darf, besungen wird – die durchwachte Nacht – kann sich allzu schnell umkehren, für alle, die gern ein Auge zubekommen würden, aber partout nicht hineinsinken können in den so heiß ersehnten Schlaf. Dabei wirkt der Schlaf meist so unbescholten als schönes Mysterium. Selbst Shakespeare nennt "den unschuldigen Schlaf" im Macbeth bereits den "Balsam kranker Seelen". Unerreichbar bleibt solch eine Heilung für die britische Schriftstellerin Samantha Harvey, die in ihrem neuen Buch Das Jahr ohne Schlaf ihrer eigenen Schlaflosigkeit nachgeht.
Schnell weicht die Sehnsucht nach Schlaf einer Angst vor den ruhelosen Stunden. Womit sie keineswegs allein ist: In Deutschland kennen rund 80 Prozent der Berufstätigen die Misere, nur schlecht ein- oder durchschlafen zu können. Knapp jeder Zehnte, statistisch gesehen also mindestens einer der letzten Chatkontakte, berichtet gar, unter starken Schlafstörungen zu leiden. Obwohl man so besehen Schlafprobleme getrost ein Volksleiden nennen könnte, rangiert der Schlaf eher am Randgebiet allgemeiner Aufmerksamkeit. Davon schreibt auch Harvey in ihrem Memoire: "Wie über Geld denkst du auch über Schlaf nur nach, wenn du nicht genug davon hast. Je weniger du davon hast, desto mehr denkst du darüber nach." So schlief Harvey selbst lange gedankenlos von Nacht zu Nacht, bis sie es mit einem Mal nicht mehr tat.
Die Nacht wird ihr zum Feind, zum Angsttreiber, wieder wach dazuliegen, umzingelt allein von den eigenen Gedanken. Eindringlich beschreibt die Autorin, wie die Zeit auf dem Wecker langsam dahinschleicht, wie auch buddhistische Mantras sie nicht davon abhalten können, vorbeifahrende Autos und Lastwagen anzuschreien, die allzu laut unter ihrem Fenster vorbeibrettern, bis sie anfängt, aus Verzweiflung ihren Kopf gegen die Wand zu hauen. Helfen tut auch das nicht.
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https://www.zeit.de/kultur/literatur/202...arvey-rezension
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