Presseflüsterer und Narrative-Erfinder
Fast acht Wochen nach der Veröffentlichung des ersten Artikels von Seymour Hersh über die Sabotage der Nordstream-Pipelines wissen wir immer noch nicht, was am 26. September vergangenen Jahres in der Ostsee passiert ist. Dafür bekamen wir aber immerhin Einblicke in die Funktionsweise unseres Mediensystems.
In den vergangenen Tagen veröffentlichten verschiedene Medienanbieter unter dem Namen „Vulkan-Files“ Daten, die ein anonymer Informant nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt hat. Dessen Identität sei nicht bekannt, so die Aussage, die man glauben darf oder auch nicht: Es gehört zum journalistischen Selbstverständnis, seine Quellen zu schützen.
Die daran beteiligten Zeitungen und Fernsehsender lesen sich wie ein „Who is who“ westlicher Medienunternehmen. Daran sind in Deutschland der „Spiegel“, die „Süddeutsche Zeitung“ und das ZDF beteiligt. In Großbritannien der „Guardian“, in Österreich der „Standard“ und in den Vereinigten Staaten die „Washington Post“. Hoffentlich wurde niemand vergessen.
Es geht um die Aktivitäten der Moskauer Firma NTC Vulkan, die offenbar im Auftrag russischer Regierungsbehörden Hackerangriffe auf die kritische Infrastruktur im Westen unternimmt. In den beteiligten Medien gibt es eine ausführliche Berichterstattung, etwa beim „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“.
Interessant ist zweifellos der Umgang mit den Informationen. So schreibt der „Spiegel“: „All das lässt sich herauslesen aus mehr als tausend geheimen Dokumenten: 5299 Seiten mit Projektplänen, Anleitungen und internen E-Mails von Vulkan aus den Jahren 2016 bis 2021. Sie sind auf Russisch und oft extrem technisch, aber wer beginnt sie zu verstehen, bekommt einen einmaligen Einblick in die Abgründe der russischen Cyberkriegspläne. In einen Militärstaat, der nicht nur mit Kampfflugzeugen, Panzern und Geschützen bedroht, sondern mit Hackern und Angriffssoftware aufrüstet.“
Das Material wurde automatisiert übersetzt, so der für die Plattform „paper trail media“ arbeitende Hannes Munzinger gegenüber dem ZDF. Zudem würden in diesen Dokumenten „sehr viele Namen erwähnt: Namen von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums, des Generalstabs, von Geheimdiensten. Es sind Namen, die man in anderen Quellen überprüfen kann. Das hat uns dazu geführt, dass wir dieses Material für echt eingeschätzt haben.“
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