Jan Costin Wagner: Einer von den Guten
„Einer von den Guten“: Jan Costin Wagner erzählt erneut aus dem Leben des pädophilen Ermittlers Ben Neven.
Zuerst sachte, im Vorgängerroman „Am roten Strand“, jetzt entschlossen hat sich Jan Costin Wagner vom Genre des Polizeiromans, in dem ein fein und divers gezeichnetes Team ermittelt, abgewandt und diejenige seiner Ermittlerfiguren ganz in den Mittelpunkt gestellt, die ein noch weit schlimmeres Problem hat, als ab und zu zu viel zu trinken: Ben Neven, der entschlossen gegen Kinderschänder ermittelt, der Frau und Tochter hat und sie liebt, ist selbst pädophil. Der Verlag, Galiani Berlin, zitiert den Autor zum neuen Roman: „Ich habe die kontroverseste literarische Figur gesucht, die ich mir vorstellen kann ... und Ben Neven gefunden.“
Es ist ein etwas unglückliches Zitat, denn es gibt selbstverständlich reihenweise viel üblere Täter in der Weltliteratur, die ebenfalls manche sympathische, sogar rechtschaffene Seite haben. In der Kriminalliteratur allerdings ist uns außer Ben Neven bisher kein pädophiler Ermittler bekannt, insofern hat Wagner sich tatsächlich auf Neuland gewagt. Wo er jetzt also seinen im Beruf so engagierten Polizisten weiter auf die Schattenseite schiebt. Es kommt zum sexuellen Missbrauch eines Minderjährigen der Straftatbestand Unterlassene Hilfeleistung dazu.
Dabei ist Ben Neven doch „einer von den Guten“ (so auch der Titel) – normalerweise. Es ist nicht zuletzt durch seine Arbeit gelungen, ein Kinderpornographie-Netzwerk zu enttarnen. Gerade fährt der Kriminalermittler nach seinem regelmäßigen Termin mit dem rumänischen Jungen Adrian von Dortmund zurück, da schickt Kollege Christian Sandner eine Nachricht, man habe nun auch noch „einen 73-jährigen katholischen Pfarrer identifiziert“.
Wie hält das einer psychisch aus, dieses Doppelleben, diese Heuchelei, das ist die zentrale Frage im Roman. Jan Costin Wagner beantwortet sie allemal psychologisch plausibel: Neven denkt sich die Sache wenn nicht schön, dann doch entschuldbar. Der Junge ist einverstanden, er steigt freiwillig zu ihm ins Auto. „Alles soll im Einvernehmen passieren, im Einklang. Danach sind wir Freunde. Der Junge erwidert das Lächeln. Flüchtig, aber es war da.“ Am Ende fühlt es sich für Ben Neven an, „als wäre nichts passiert“.
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