Maxim Biller: Mama Odessa
Maxim Biller erzählt in „Mama Odessa“ von seiner Mutter und vom Schreiben und vom Schreiben seiner Mutter.
„Mama Odessa“ ist unter anderem ein Buch über das Schreiben, über die Familie, über die Ermordung der jüdischen Bevölkerung von Odessa im Herbst 1941 und über das Weiterleben.
Mischas Großvater entkommt damals schwer verletzt den Flammen. Später wird hier der 25 000 ermordeten „Sowjetbürger“ gedacht werden. Mischas Vater und andere protestieren und rufen: „Es waren keine Sowjetbürger, es waren Juden!“ Inzwischen wohnt die Familie in Hamburg. Das Kind Mischa wundert sich. „Und warum leben wir jetzt unter alten Nazis?“, fragt es den Vater. „,Keine Ahnung, Mischenka‘, sagte er, ,wirklich, keine Ahnung.‘ Dann schwiegen wir alle lange.“
„Mama Odessa“, ein finster grundiertes, aber leichthändig geschriebenes Buch, erzählt von dem, worüber man nicht sprechen kann. Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben. Jedenfalls kann man es versuchen.
Am Anfang ein unabgeschickter Brief der Mutter, der den Sohn vielleicht gar nicht erreichen sollte, die Jahrzehnte andererseits überstanden hat. Das ist einer der vielen eigenartigen Vorgänge beim und nach dem Schreiben, dass das Geschriebene natürlich gelesen werden soll, aber womöglich auch nicht oder später oder lieber von jemand anderem und so weiter.
Am Ende ein abgeschickter Brief des Großvaters an den Enkel, der damals noch ein Kind war. Lange war der Brief verschwunden, der Enkel findet ihn, als er nach dem legendären Kompass des Großvaters sucht. Die Mutter schreibt über ihren Vater, der Großvater schreibt über seine Tochter, beide in Sorge umeinander: eine zarte Klammer, die eine Umklammerung sein könnte, diesmal aber nicht. Der neue Roman von Maxim Biller ist ungemütlich, aber die Familie selbst ist kein übler Ort darin, sondern eine Sehnsucht und ein Schutz trotz der Traurigkeit und der Traumata.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/maxim...s-92483899.html
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