Mirko Bonné: Alle ungezählten Sterne
Ein hochaktueller und in allen Facetten hervorragender Roman: Der Hamburger Schriftsteller Mirko Bonné brilliert mit „Alle ungezählten Sterne“
von Gérard Otremba
Am Anfang steht das Ende. Jedenfalls das vermeintliche für den 70-jährigen, pensionierten Hamburger Brückenkommissar Benno Romik, der von seinem Arzt mit einer tödlichen Diagnose konfrontiert wird. Der Magen, der ihm eigentlich gar keine Schmerzen bereitet, aber für wohl nur noch wenige Wochen Lebenszeit sorgt. Im Angesicht des Todes beginnt Mirko Bonnés Hauptfigur mit der Erzählung („Ich erstatte Bericht vom Ende eines kommissarischen Lebens“). Was sich arg bürokratisch anhört und manchen an Max Frischs „Homo Faber“ erinnert, entwickelt sich bei Mirko Bonné, dessen Roman „Seeland Schneeland“ wir zuletzt in unserem Programm hatten, zu einem prächtigen Gesellschaftspanorama, in dem zwei unterschiedliche Generationen aufeinanderprallen.
Benno Romik, der aufgrund der ärztlichen Diagnose seine Zukunft hinter sich wähnt, wird Zeuge, wie vor seiner Haustür in Hoheluft linke Aktivisten Autos anzünden, „roasten“, wie sie es in ihrer Sprache nennen. Eine von ihnen verletzt sich dabei am Fuß, kann nicht sehr weit fliehen und Romik, der sich hobbymäßig als ein passionierter Sternengucker entpuppt, gewährt ihr Zuflucht. Hollie Magenta nennt sich die junge, eigentlich aus einer adeligen Familie stammende Weltverbesserin, die für die Gruppe der „Zertrümmerfauen“ an Aktionen teilnimmt. Schnell geraten Magenta und Romik in einen politischen Diskurs und Bonnés Ich-Erzähler sieht sich als Vertreter der älteren Generation mit Vorwürfen bezüglich der Schuld am Klimawandel konfrontiert und als Vertreter der männlichen Spezies am gesellschaftlichen Zustand, wie ihn Hollie Magenta wissen lässt: „Die Weltgeschichte ist ein fortwährender Exzess männlicher Gewalt gegen alles vermeintlich Schwächere.“
Die 21-Jährige, für die „Fridays for Future“ eine die bestehenden Verhältnisse untermauernde Bewegung ist, vertritt radikale Ansichten („Whatever. Es liegt an euch. Wir sprengen zur Not auch den Fernsehturm. Hauptsache, Randale. Hauptsache, es kracht und trifft euch und ihr wacht auf.“) und zieht Romik in einen Strudel der Ereignisse hinein, die am Ende gar thrillerhafte Spannung aufkommen lassen.
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