Johanna Sebauer: Nincshof
Das Dorf Nincshof versucht, der Aufdringlichkeit der Welt zu entkommen. Dieses Gedankenexperiment hat Johanna Sebauer in ihrem Romandebüt gewagt. Eine unaufdringliche Sprache hätte der Geschichte besser gestanden.
von Marie Schoeß
Wer mit Nincshofern spricht, sollte sich hüten, nach wahr oder falsch zu fragen. Warum sollte auf Fakten setzen, wer auch Legenden trauen kann? Warum sollte eine Gute-Nacht-Geschichte nicht gültig sein, wenn die Großmutter sie einem zuraunt, die sonst immerzu schweigt? In Nincshof jedenfalls traut man dem Wissen des Mythisch-Märchenhaften noch. Und Johanna Sebauer vertraut auf einen märchenhaften Ton, um uns in ihre Geschichte zu führen.
Nincshof ist das Dorf. Auf den ersten Blick, wie jedes Dorf, in keiner Weise besonders. Auf den zweiten, wie jedes Dorf, einzigartig. (…) Im Winter pfeift der Wind über das gesichtslose Weißgrau dieses flachen Landstrichs und bringt eine Kälte mit, an der, so erzählt man sich, manch einer schon erblindet sei. Im Sommer wird die Luft schwer und zäh wie Kleister. Nur die Chöre der Grillen durchdringen sie mit ihrem Gesang. Wer nach Nincshof kommt, der will dorthin. Der Zufall, das würde er nie wagen, führt hier niemanden her. Auch dann nicht, wenn es, wie in dieser Geschichte, danach aussehen mag.
Was also geschieht in dieser Geschichte? Drei Nincshofer - generisches Maskulinum, in Nincshof würde schließlich auch niemand gendern - drei Nincshofer also wollen zurück zum mythischen Ursprung des Dorfes. Und der liegt in völliger Abgeschiedenheit. Niemand weiß von Nincshof - und Nincshof von niemandem. Es gibt ungeschriebene Gesetze, aber keine politischen Strukturen. Wer Streit hat, trifft sich in der Wirtschaft, und sonst hilft man sich eben aus. Ein Paradies, schwärmen die Nincshofer, und genau diese Bewertung muss eine Leserin doch neugierig machen: Woher kommt die Sehnsucht nach einem Zustand vor jedem politischem Denken und Handeln? Wer entdeckt Freiheit darin, losgelöst vom Rest der Welt zu leben?
Solche Fragen aber interessieren Johanna Sebauer nur am Rande, eher schon sucht sie das Humoristische im Konkreten. Verschwinden - wie geht das denn? Wer kümmert sich ums Abräumen der Straßenschilder, wer schneidet die Seiten aus den Büchern der Bibliotheken, wer sagt die überregionalen Feste ab? Und was macht man, wenn eine Dokumentarfilmerin ins Dorf zieht und Fragen stellt?
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