Dennis Lehane: Sekunden der Gnade
Was passiert, wenn eine Frau nichts mehr zu verlieren hat? Davon erzählt Dennis Lehane in seinem neuen Roman "Sekunden der Gnade". Wie schon in seinem ersten Roman geht es auch hier um Rassismus.
von Annemarie Stoltenberg
Dennis Lehane erinnert sich, dass er als Neunjähriger gegen Ende des Sommers 1974 mit seinem Vater in Boston versehentlich in eine Protestaktion geraten war, die sich gegen die Einführung von Schulbustransporten zur Aufhebung der Rassentrennung richtete:
Der Mob rief Parolen - teils gewalttätig und rassistisch, teils nicht -, und das Auto meines Vaters wurde auf der Kriechfahrt durch das Meer wütender Menschen gerüttelt und geschüttelt. Niemand schien uns zu beachten, und doch hatte ich noch nie im Leben solche Angst gehabt.
In dieser Zeit, an die er sich so intensiv erinnert, spielt sein neuer Roman. Es ging darum, dass schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden sollten und umgekehrt weiße Kinder in schwarze Schulen. Das hatte ein US-Bezirksrichter entschieden, um etwas gegen die Rassentrennung an öffentlichen Highschools zu bewirken.
ie Hauptfigur in Lehanes Roman heißt Mary Pat. Sie trauert um ihren Sohn, der tief verstört aus Vietnam zurückgekehrt und drogenabhängig geworden war. Sie hat nur noch ihre Tochter. Sie ist 17 Jahre alt und will abends mit dubiosen Freunden losziehen. Mary Pat denkt, als sie ihre Tochter mit den üblichen Ermahnungen, auf sich aufzupassen, verabschiedet:
"Such dir jemand anderen. Einen, der etwas taugt. Der von mir aus dumm ist, aber nicht fies wird. Der hier wird fies (…) Du bist zu gut für den Kerl."
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