Gewaltschutz beginnt in der Nachbarschaft
Gewalt gegen Frauen ist ein Männerproblem. Das Präventionskonzept „Stadtteile ohne Partnergewalt (StoP)“ geht dagegen erfolgreich an.
Wieder war es der Türstock, den sie in der Dunkelheit übersehen hat; oder die Treppe, über die sie zum x-ten Mal gefallen ist. Und ja, die Tasse ist ihr tatsächlich aus dem Schrank direkt ins Gesicht gefallen. Es sind immer dieselben Geschichten, die Frauen erzählen, wenn sie vor häuslicher Gewalt flüchten. Warum sie trotzdem den Täter decken? Weil sie Angst haben, dass eine Trennung oder eine Anzeige ihre Situation noch verschlimmern würde. „Wenn diese Frauen Zuflucht im Frauenhaus suchen, verlieren sie praktisch die Wohnung, sie müssen ihre Kinder neu einschulen, und sie haben so viel zusätzliche Arbeit mit dieser Situation“, sagt Sabine Stövesand im Gespräch mit der WZ. Die Hamburger Professorin für Soziale Arbeit wollte diese Ungerechtigkeit irgendwann nicht länger mitansehen.
Den Ausschlag gab ein besonderes Erlebnis in einem Hamburger Frauenhaus: „Dort sagte eine Frau: ‚Ich gehe auf jeden Fall in meine Wohnung zurück. Meine fünf Kinder haben hier ihre Freunde. Und meine Nachbarn werden mir helfen, das haben sie bisher schon getan.‘ Das fand ich ungewöhnlich.“ Als Stövesand nach ihrer Tätigkeit im Frauenhaus in die Stadtteilarbeit wechselte, ging ihr diese fünffache Mutter, die sich vom Gewalttäter nicht kleinkriegen ließ, nicht aus dem Kopf. „Ich habe überlegt, ob man die Nachbarschaftsarbeit und den Gewaltschutz nicht kombinieren kann.“
Ich habe überlegt, ob man die Nachbarschaftsarbeit und den Gewaltschutz nicht kombinieren kann.Sabine Stövesand, Professorin für Soziale Arbeit und Erfinderung der „Stadtteile ohne Partnergewalt“
Und ja: Man kann. Sehr gut sogar. Stövesand, die seit 1987 in der Sozialarbeit aktiv ist, wurde zu einer Pionierin im Bereich Gewaltprävention und entwickelte in den vergangenen drei Jahrzehnten das Konzept der „Stadtteile ohne Partnergewalt (StoP)“, das erst in Hamburg und in der Folge in zahlreichen anderen deutschen Städten und auch in Österreich etabliert wurde. Ihr Ansatz: Statt einzugreifen, wenn etwas passiert ist, wird die lokale Bevölkerung schon vorher entsprechend sensibilisiert, damit es gar nicht so weit kommt.
Stövesand hat ein Acht-Schritte-Konzept entwickelt, von der Grundsatzentscheidung über den Aufbau nachbarschaftlicher Aktionsgruppen und Netzwerke bis zur Entwicklung politischer Bündnisse. „Diese acht Schritte müssen alle umgesetzt werden“, betont die Erfinderin. „Denn bei Gewalt im Geschlechterverhältnis darf man nicht einfach irgendetwas machen. Das sind ernstzunehmende Risikosituationen, für die es ausgebildete Fachkräfte braucht. Unser Konzept ist erprobt und wissenschaftlich fundiert.“
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https://www.wienerzeitung.at/a/stadtteile-ohne-partnergewalt
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