Lass uns kurz reden
Einwanderung verändert deutsche Gesellschaft, verändert auch deutsche Sprache. Schwört Wissenschaftlerin Diana Marossek.
Nur die Toten hätten genügend Zeit, Deutsch zu lernen, befand der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain. "Jedes Substantiv hat sein grammatisches Geschlecht, und die Verteilung ist ohne Sinn und Methode. Man muss daher bei jedem Substantiv das Geschlecht eigens mitlernen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht." Seit Mark Twain das schrieb, in seinem Aufsatz "Die schreckliche deutsche Sprache", sind fast 140 Jahre vergangen. Inzwischen gibt es eine andere Möglichkeit – man lässt den Artikel weg.
Die Schülerin raunzt in die Klasse: "Haltet die Fresse, ich will Text lesen." Die Kassiererin fragt am Tankstellentresen: "Wollen Sie erst bezahlen oder erst Toilette?" Und der Sportreporter berichtet im Fernsehen: "Der Spieler hat noch Vertrag bis 2018."
Die Berliner Soziolinguistin Diana Marossek, 31, hat über das Phänomen ein Buch geschrieben, das auf ihrer Doktorarbeit aufbaut(*). Die These: Menschen jedes Alters und jeder Herkunft bilden inzwischen Sätze mit verknappter Grammatik. Man könnte sagen: Marossek analysiert nicht das Deutsch der Migranten, sondern das Migrantisch der Deutschen.
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