Lasst uns über Geld reden!
Man muss ökonomische Ungleichheit nicht mit sich selbst ausmachen. Als Diskussionsgrundlage hilft Anke Stellings zorniges Aufklärungsbuch „Schäfchen im Trockenen“.
Die Webseite „Global Rich List“ ist eine Art Wohlstandsrechner. Auf der Grundlage von Daten, die die Weltbank bereitgestellt hat, kann man ausrechnen lassen, an welcher Stelle man steht, was das eigene Einkommen betrifft. Selbst wer in Deutschland nicht mehr als den Mindestlohn bezieht, steht ganz weit oben auf dieser Liste. Ein Jahreseinkommen von 16 600 Euro lässt einen zu den 3,5 Prozent der reichsten Menschen der Welt gehören. Aber man vergleicht sich ja nicht mit der ganzen Menschheit. Was zählt, ist allein der eigene Mikrokosmos. Und für Resi, die Protagonistin in Anke Stellings Roman „Schäfchen im Trockenen“, ist das Berlin-Prenzlauer Berg.
Resi ist Schriftstellerin, ihr Mann Künstler, beide sind sie Mitte 40, sie scheinen auf den ersten Blick gut in das kreative Milieu dieser Wohngegend zu passen. Das kulturelle Kapital ist vorhanden. Nur die Zahl der Kinder lässt einen stutzen, es sind vier. Zwei brotlose Künstler mit vier Kindern. Sie leben als Untermieter eines guten Freundes in einer Wohnung, die der Freund jetzt gekündigt hat. Und die Freundschaft gleich mit, denn Resi hat etwas getan, was die Freunde als Verrat empfinden. Sie hat schmutzige Wäsche gewaschen. Sie hat einen Artikel geschrieben, und später ein Buch, in dem es um das Leben in einer Baugruppe geht.
In der Krise wird Resi bewusst, was sie viel früher hätte merken können, spätestens als Teenager, als sie kurz vor Weihnachten bei der Familie ihres damaligen Freundes eingeladen war, und dessen Großmutter sie fragte: „Was spielen Sie?“ – „Äh, nichts“, stammelt Resi. Denn irgendwie ahnt sie, dass ihre zwei Jahre Blockflötenunterricht in der Grundschule hier nichts zählen. Auf die feinen Unterschiede kann man sich ja deshalb so fest verlassen, weil sie durch das Unterbewusstsein wirken. Und so lächelt Resi, und ihre Zähne können sich dank der kieferorthopädischen Behandlung, finanziert von der solidarisch organisierten Krankenkasse, sehen lassen. Noch sind die Achtziger, in Westdeutschland wohlgemerkt. Eine Zeit, in der es noch etwas zu verteilen gab, auch deshalb hat es gedauert, bis Resi bewusst geworden ist, dass ihrem Aufstieg Grenzen gesetzt sind.
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http://www.fr.de/kultur/literatur/roman-...reden-a-1652261
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