Stig Dagerman: Gebranntes Kind
Literarisch anspruchsvoll, schwierig, beklemmend – das Hin und Her in der Psyche eines gestörten jungen Mannes
Ich muss die Hauptperson eines Buches nicht mögen, ich kann sogar das Verhalten verurteilen, ohne dass das Buch abzulehnen. Aber hier war mir der Protagonist Bengt so zuwider, dass ich Schwierigkeiten hatte, das Buch zu Ende zu lesen. Er quält nicht nur einen Hund, stellvertretend für Personen, für die er Hass empfindet, er schlägt auch eine Frau und lügt und betrügt seinen Vater und andere. Er will sie und ihr Verhalten analysieren, kann das aber in keinster Weise auf sich selbst anwenden.
Dabei hat er mir zuerst ein bisschen Leid getan, denn seine Mutter ist gestorben und er scheint großen Schmerz zu empfinden. Mit der Beerdigung beginnt die Geschichte in einem mich zuerst schockierenden Stil: stakkatohaft, gleiche Satzanfänge, ständige Verwendung von 'schön' und 'hässlich'. Ob das die Weltsicht des Vaters – eines einfachen Mannes – ausdrücken soll, hat sich mir so wenig erschlossen wie die vielen Symbole und Bilder. Das erfordert angestrengtes Lesen und viel Nachdenken, um alles zu verstehen. Ich fand es überfrachtet.
Doch der Autor Stig Dagerman kann auch anders, denn plötzlich ändert sich der Tonfall. Der Sohn Bengt schreibt Briefe, sprachlich flüssig, mit geradezu philosophischen Gedanken über Liebe, Erziehung und das Leben. Ein erstaunlicher Kontrast. Aber auch hier zeigt sich wieder das Verlogene von Bengt und seine seltsame Sicht der Welt. Nur wer 'rein' ist, darf andere schlagen. Bengt biegt sich die Realität nach seinem Gutdünken zurecht. Ich empfand sein Verhalten und seine Gedanken als ziemlich gestört und frage mich, wie man so werden kann, was die Ursachen sind, bin aber ohne Antwort geblieben. Auch die Reaktionen der anderen Personen seiner Umwelt fand ich seltsam und von mir aus geurteilt unrealistisch.
Gefallen hat mir die atmosphärische Schilderung des Begräbnisses, das Davor und Danach – trotz der stilistischen Eigenheiten – und auch die zarten, zärtlichen Liebesszenen, überhaupt die ganze Dichte der Erzählungen. Man bekommt einen tiefen Einblick in die gespaltene Persönlichkeit des jungen Bengt, in das Hin und Her in seinem Inneren, in seine Überlegungen zu Erziehung, Liebe und wie man leben soll. Es ist allerdings eine sehr fordernde, manchmal schockierende Lektüre, die dem Leser einiges abfordert.
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