Keine Blauen

Wieviele ich schon vergessen, verloren, stehen gelassen habe? Längst habe ich aufgehört zu zählen. Sicher, sie sind nützlich, aber mir sind sie lästig. Fordern Aufmerksamkeit, die ich nicht bereit bin ihnen zu schenken. Einmal hatte ich einen, den hütete ich wie meinen Augapfel, meine Kolleginnen hatten ihn mir geschenkt, er war mir etwas Wert. Nein, ihn habe ich nicht verloren, doch es kam einer, der ihn zerbrach. Seine Nachfolger verschwanden so schnell aus meinem Besitz, wie sie kamen. Ein-, zwei- oder dreimal benutzt, verloren, vergessen, stehen gelassen.

Wie ergeht es den Vergessenen? Kommt einer, den sie beschirmen? Bevölkern sie die Fundbüros? Werden sie gefunden um wieder verloren zu werden? Im Traum sah eine ganze Armee von ihnen, aufgespannt, revoltierend besetzten sie jedes freie Plätzchen auf der Erde; was ich angesichts all der Vergessenen nicht für unmöglich halte. Seit geraumer Zeit besorge ich sie mir en gros in dem Billigshop meines Vertrauens. Seit Jahren, immer die gleichen, immer in blau. Neulich, auf dem Weg zu einem Krankenbesuch, strömender Regen. Natürlich hatte ich keinen bei mir, also, nix wie hinein in besagten Shop, ein paar Schritte zum Regal..., da waren sie nicht. Nach vorne zur Kasse, die Verkäuferin fragen, die mich kennt und mir freundlich antwortete, sie stünden direkt hinter mir. Ich drehte mich um, sie leuchteten mir entgegen in grellem Orange und noch grellerem Grün. "Haben sie keine Blauen mehr?", hörte ich mich fragen. "Nein, nur noch die, die dort liegen.", lautete die Antwort. Ihr Blick allerdings sprach Unausgesprochenes: 'Die Blauen? Die haben sie doch alle gekauft.'

Also begnügte ich mich mit den Orangefarbenenen, doch als ich gerade einen kleinen Vorrat in meiner Armbeuge balancierte, fiel mir ein, dass ich, schusselig wie ich bin, Nummer eins auf der To-do-Liste vergessen hatte: Geld abheben. Kommando zurück und in der Tasche nach dem Portemonnaie gekramt.
Ein einziges Zweieurostück blinkte mir aus der Unmenge von Cents entgegen. Karte? Nä, lieber nicht. Meine Schusseligkeit wollte ich nicht auch noch auf meinem Kontoauszug manifestiert sehen.
Nun besaß ich also wieder zwei, zugegeben nicht lange, der eine wollte alleine Bus fahren und der andere? Tja..., keine Ahnung, bis heute, als er mir auf der Suche nach dem Haustürschlüssel in den Tiefen meiner Tasche, aus einem vergessenen Seitenfach entgegenleuchtete. Ich hatte längst aufgehört nach ihm zu fahnden und mir stattdessen eine Jacke mit Kapuze gekauft.

Wenigstens bist du kreativ, tröste ich mich, während ich aus einem Karton, den ich, die Abwesenheit meines Sohnes nutzend, aus seinen heiligen Hallen entwendet habe, einen Sonnenschutz für meinen Laptop bastele, damit ich auch auf der Terrasse meine unsortierten Gedanken zu Papier, ähh, in den Laptop bringen kann.
'NIX GUT' steht jetzt in großen Buchstaben über meinem Kopf. Na ja, hoffentlich kein Omen.
Ich mache es mir gemütlich, sitze schreibend in der Sonne...
Sonne?
Neiiin! Ich war's nicht!

Ich hab nur drei schwarze und es funktioniert immer nur der, den ich zu Hause gelassen hab.
Sehr unterhaltsam, Lotte. Hat Spaß gemacht zu lesen.

Sirius

Mir ergeht es manchmal ähnlich, oder immerhin fast. Ich finde etwas, von dem ich nicht weiß, dass ich es verloren hatte, und kann es dann oft gar nicht mehr zuordnen. Mein Schlüsselbund? Da sind eh nur die Schlüssel von meiner letzten (vorletzten?) Wohnung dran – ich schließe einfach nicht mehr ab. Wer bei mir klauen kommt, muss es echt nötig haben.

Ich habe den klassischen Knirps, der passt auch in die Jacke, schön ihn wiedergefunden zu haben, jetzt fehlt nur noch der Regen.

Hab ich amüsiert gelesen, Lotte!
Ja, so hat ein jeder seine kleinen Ausreißer.
Bei mir sind es immer die Geldscheine.

Der Herr hat's gegeben - der Herr hat's genommen.
Bis in alle Ewigkeit.

Amen.

Nimm doch einfach den mit, der zu Hause bleiben sollte, Sirius.

Bei mir steckt auch immer ein Schlüssel in der Wohnungstür, klsa. Wäre ja auch blöd, wenn der überraschende Besuch immer gleich die ganze Tür ramponieren würde. Sollte der Regen hier wieder vorbeischauen, werde ich ihn Richtung Hannover schicken, dass du deinen Wiedergefundenen ausführen kannst.

Kannst du mal nähere Angaben machen, wo du deine Geldscheine verlierst, Jonny?

Ich danke euch, Jungs, dass ihr euch durch meine Zeilen gequält habt!

Liebe Lottegrüße

Es war keine Qual, Lotte, mir war es ein Vergnügen!

Das ist lieb von dir, Jonny! Leider weiß ich aber jetzt immer noch nicht, wo es sich lohnt, nach deinen Scheinen Ausschau zu halten.

Liebe Lottegrüße