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RE: Polizisten

#1 von Karl Ludwig , 13.05.2016 09:58

Um es vorweg zu nehmen: Polizisten sind natürlich notwendig. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in welcher Faustrecht und/oder Blutrache die Interaktionen bestimmen. Polizisten gehören, ähnlich wie Lehrer, Sozialarbeiter oder Richter, zu dem Leim, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Im Grunde genommen handelt es sich um einen ehrenwerten Beruf: 'Beschützer der Schwachen und Helfer der irdischen Gerechtigkeit'. So, oder wenigstens so ähnlich sollte es jedenfalls sein.

In meiner Jugend gab es den Werbespruch: 'Die Polizei, Dein Freund und Helfer'. Abgesehen davon, dass ich nicht ungefragt geduzt werden möchte, zeigen mir meine Erinnerungen eher nette, ruhige Respektspersonen. Sie kamen in die Schule und gaben Verkehrsunterricht. Sie unterhielten auf ehrenamtlicher Basis ein Übungsgelände, wo man korrektes Fahrradfahren erlernen konnte. Sie waren in freundliches Grün und Ocker gekleidet und nicht in martialisches Schwarzblau und sie trugen auch keine Bubibärtchen.

Nun, damals war ich Kind und musste die Augen verdrehen um mit Erwachsenen zu sprechen.

Später, so ab meinem 17'ten Lebensjahr, waren Polizisten echte Mitwirkende beim 'Räuber und Gendarm' Spiel. Wir schmissen Lebensmittelfarbe in den Leineweberbunnen, besetzten den Stadtpark, warfen mit Böllern und freuten uns, wenn etwas Ärger bei rum kam. Abends standen wir durchaus mal mit einigen Zivilbullen am Tresen. Wir waren erschreckend harmlos und naiv.

Der Bruch kam m.E. erst ab dem Tod von Benno Ohnesorg. Bullen wären Schweine und dürften durchaus erschossen werden, schrieb die Meinhof in ihren, von mir nie verstandenen Pamphleten, und mit der Übernahme dieser Einstellung bewiesen viele von uns ihre revolutionäre Gesinnung. Klar, die wenigsten gingen tatsächlich zur RAF, aber man MUSSTE die Genossen im Krieg gegen das Schweinesystem unterstützen und sei es auch nur durch lautstarkes Gebrüll, was dann widerum die Popos (politische Polizei) interessierte. So blieb alles hübsch am köcheln und man fühlte sich doch gleich viel besser. Jeder kam sich wichtig vor und alle hatten ihre Freude.

Ich hingegen glaubte nicht an eine, von diesen Spinnern postulierte, zukünftige Gesellschaft mit kommunistischem Haut-goût. Schon bei den Hausversammlungen im autonomen, von Studenten gegründetem Arbeiter-jugendzentrum, bewiesen diese revolutionären Geister ihre totale Unfähigkeit zu Kompromissen und es kam äußerst selten etwas Sinniges zustande (Freibier bei Konspirantentreffen, keine Waffen in der Kneipe).

Aber weitere Ausführungen über diese Avantgarde der internationalen Spinner (Marxisten/Leninisten/Stalinisten [ausgerechnet Stalin]/Maoisten [ausgerechnet Mao]) würden nun zu ...äh... weit führen. Ich überlege nämlich gerade, welch ein Charakterprofil jemand aufweisen muss, der sich für den Beruf des Polizisten, des Ordnungshüters entscheidet. Büttel der Exekutive! Und schon erkenne ich alleine an dem Wort den Grund für latent braun gepudertes Gedankengut, bzw. -schlecht. Polizist kommt von Polis und bedeutet 'Mann des (griechischen) Stadtstaates', also der Regierung. Hüter von Recht und Ordnung ist selbstmurmelnd und wird vermutlich schon in der Stellenbeschreibung erwähnt. 'Recht und Ordnung' sind allerdings Schlüsselbegriffe aus dem Nazijargon. Das lässt sich kaum mit einer modernen Denkweise und der Chaostheorie vereinbaren, alleine schon wegen den Quanten.

Starke Affinität zu autoritären Strukturen, in denen jeder auf seinem, eindeutig definierten Platz bleibt. Kein chaotisches: Mal sehen was passiert, sondern: Strukturierte Kontrolle über die Ereignisse und Menschen, abzüglich den störenden Elementen.

Polizisten können keine Freigeister sein. Sie MÜSSEN konservativ bis faschistoid denken und an einfache Regeln glauben. Und einfache Regeln nebst altbackener Denke gibt es en gros bei Strukturen wie Bundeswehr und Polizei.

Weiter: Die geliehene Macht, welche korrumpiert. Die heimliche Verachtung für alle, die nicht so funktionieren wie sie. Es sind ja im Regelfall keine verhinderten Sozialarbeiter, die ihr Klientel verstehen wollen. Sie möchten ihr Klientel nachvollziehbarer Weise hinter Gitter sehen und für sich persönlich eine Belobigung in der Personalakte.

Aber ausschlaggebend ist das Motiv hinter der Berufswahl:

Angst vor gesellschaftlichen Überraschungen aus der Bewegung, Abscheu vor unkontrollierten Veränderungen, Illusion einer Idealwelt.

Und darum dauern Aufklärungen von Straftaten der rechten Szene so lange, falls überhaupt etwas passiert. Insgeheim gibt es eine Art institutionalisierte Gemeinschaft der starrköpfigen Ewiggestrigen. Eine 5. Kolonne von Schissern, die Menschen für Dinge halten, die man nur ordentlich schütteln muss, damit sie funktionieren.

Dennoch halte ich Polizisten für ein kleineres Übel als keine Polizisten. Ich wollte sogar selber mal Polizist werden und das anwachsende Drogenproblem bekämpfen. Ja! Tatsächlich.

Gott sei Dank kam es nie zur Ausführung von dieser Schnapsidee. Ich wechselte nicht die Seiten, sondern suchte mir eine windstille, möglichst neutrale Beobachterecke. Und schreibe meine Gedanken nieder. Nicht um Euch zu erfreuen, sondern mir zur Klärung.


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RE: Polizisten

#2 von Jonny , 13.05.2016 18:55

Aber mich erfreut es trotzdem, klsa, dass du deine Gedanken niederschreibst.
Weil in denen immer ein Stück Leben steckt.
Teils herrlich verrückt, (Sorry ) teils abgeklärt.

Liebe Grüße in dein Wochenende
Jonny

 
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RE: Polizisten

#3 von Sirius , 13.05.2016 19:55

Meine Einstellung zur Polizei ist auch eher differenziert und gespalten. Es gibt eben solche und solche.
Bisher bin ich zweimal festgenommen worden, weil ich gegen Nazis demonstriert habe, die Nazis selber wurden in Schutz genommen, da macht man hier behördlicherseits gar kein Hehl draus.
Aber es gibt auch andere mit der richtigen Berufsehre. Eigentlich sollten die "richtige" Berufsehre alle haben, aber das gibt es in anderen Berufen ja auch nicht.
So kann ich deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, klsa.
Bei "Räuber und Gendarm" weiß man oft nicht, wer eigentlich der Räuber ist..

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RE: Polizisten

#4 von Karl Ludwig , 14.05.2016 11:55

Aha. Ein Don Quichotte.

Meine Erfahrung zeigt, dass Protest nur unwillig zur Kenntnis genommen wird und wenig Erfolg zeigt. Wir haben gegen die Konsumgesellschaft protestiert. Es wurde nur schlimmer. Wir haben gegen Unrechtsregime wie der Schahdiktatur protestiert. Es wurde nur schlimmer. Wir haben gegen Atomkraft protestiert – na gut, nachdem einige von diesen Stromerzeugern hochgingen, war es schon schlimm genug. Wir haben gegen Rechts protestiert, Horst Mahler wandte sich von der RAF ab und wurde Nazi. Wir haben gegen Massentierhaltung, Schweinetransporte, Strauss und alles Mögliche protestiert, - die Verbesserungen ließen auf sich warten und vertrieben sich die Zeit mit Verschlimmerungen.

Ach ja. Polizisten. Ich kenne einige. O.K. Mann von der Sonderkommission Drogen z.B., inzwischen vermutlich tot. Der hatte keinen Beruf, sondern eine Berufung. Der fand wenig dabei, wenn er denn zufällig einen Krümel Shit fand, diesen nicht gefunden zu haben. Der hielt auch mal seine Leute zurück, falls die übertrieben. Vermutlich hieß sein Spiel bloß: 'Böser Bulle - guter Bulle', und er spielte den Netten. Egal. Ich mochte ihn.

Berufsehre. Leitet sich doch direkt von der persönlichen Souveränität und Integrität ab und sollte selbstverständlich sein. Ist sie aber nicht. Wer fühlt sich denn von diesem Beruf angezogen? Entweder hoffnungslose Idealisten oder Leute mit Machtausübungsgelüsten. Die Graustufen zwischen diesen Extremen bleiben erst Mal unerwähnt, oh, Mist, jetzt habe ich ja doch …

Ich glaube aber, dass nur eine bestimmte Sorte Mensch Polizist werden möchte. So wie auch nur bestimmte Leute Politiker, Gangster, Künstler, Unternehmer, Generäle sein können.

Der Gewaltmonopolanspruch des Staates ist eine zivilisatorische Hochleistung. Nicht perfekt, nicht besonders fair, aber immer noch viel besser als totale Willkür.


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RE: Polizisten

#5 von kama tanha , 15.05.2016 10:31

Deine Abhandlung über die Pozilei hab ich gern gelesen!
Wahrscheinlich stimmt es schon, dass Polizisten ein geringeres Übel sind, als keine Polizisten. Und ja, wie Sirius schrieb, gibts halt (so wie über all sonst auch) solche und solche, wobei es in dieser Berufsgruppe tendenziell eher mehr "solche" gibt, meiner Erfahrung nach. Ich hatte auch das ein oder andere unschöne Erlebnis. Gut, ich gebe auch zu, dass ich möglicherweise ein bisschen provoziert habe, aber "arbeitsscheue Hure" war dann doch nicht verhältnismäßig. Und noch weniger der Griff auf meine Brüste, als ich seine Dienstnummer verlangte.


"Leg dein ganzes Sein in dein geringstes Tun" (Pessoa)

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RE: Polizisten

#6 von Karl Ludwig , 15.05.2016 17:21

Sexuelle Gewalt hat fast immer etwas mit Machtausübung zu tun. Es ist ein Ausdruck von Verachtung elementarer Grundrechte, die zu schützen doch im Prinzip zum Aufgabenbereich der Polizei gehört, und bestätigt nur meine Meinung, dass es größtenteils die Verkehrten sind, welche von der geliehenen Macht angezogen werden.


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