Bloß nicht ins Paradies!
Der Kabarettist Jürgen Becker schreibt in seinem Buch „Ja, was glauben Sie denn?“ folgendes:
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt.
Religion ist, wenn man trotzdem stirbt.“
Und genau ist das Kardinalsproblem bei allen gängigen Religioten: Immer muss man erst tot gehen! Aller Glaube beruht ja darauf, dass erst dann etwas passiert, wenn man längst unter dem Acker liegt. Zu Lebzeiten kostet eine Religion praktisch nur Geld. Für Atheisten mit Attest ist das ein schlechter Deal. Und vor allem so unseriös!
Das Paradies, den Himmel oder was auch immer versprochen wird, gibt es erst, wenn man lange genug eingezahlt hat, wie bei einer Lebensversicherung, und wenn man halt verstorben ist.
Dann aber braucht der gelernte Atheist kein Paradies mehr!
Gut, jene die an Gott glauben und nicht auch noch die überflüssige Kirche dazu brauchen, kommen auch umsonst ins Paradies. Da ist Gott kulant, zumal ja bei den Kirchenanhängern ohnehin viel Ausschuss ist, vor allem bei den Angestellten in höheren Positionen, die sich schon zu Lebzeiten göttlich fühlen.
Die zahlenden und registrierten Mitglieder der Kirche hingegen erhalten als Gegenleistung immerhin die wöchentliche Predigt, eine Taufe oder ein Abendmahl, wo sie erstmal ihren Gott symbolisch verspeisen, wonach allerdings eine Spende im Klingelbeutel fällig ist, denn die Dienstleistungen im Namen Gottes sind nicht mit den Steuern abgegolten.
Und „Mitglieder“ darf man schon gar nicht sagen, sondern einfach nur Glieder – Kirchenglieder oder Gemeindeglieder. Da wird schon das zweifelhafte Verhältnis zur Sexualität offenbar und manch einer nimmt das mit den Gliedern so sehr religiös, dass er sich schon mal einen Vorschuss auf das Paradies gönnt und gelegentlich dabei die Hodenhaftung verliert.
Auch der Atheist gelangt ins Paradies. Sehr zum Verdruss der Hoch- und sonstiger Würden, die das gerne differenzierter handhaben würden, z.B. mit den beliebten Verbrennungen oder den immer noch gepflegten Teufelsaustreibungen., aber leider weist der moderne Pöbel erhebliche Toleranzschwächen auf.
Im Grunde kommt praktisch jeder ins Paradies, ob er will oder nicht. Die Frage ist nur, welchen Platz man dort zugewiesen bekommt. Das kann dir die Religion nicht sagen, und die, die schon dort sind, tun es einfach nicht.
Also sind die Religionen schlicht überflüssig. Ich kann auch so an Gott glauben oder als Atheist fragen, wo Gott eigentlich beim Urknall war. Da es aber besser ist, wenn man sich organisiert, ist eine Religion nichts weiter als eine Gewerkschaft ohne Streikrecht. So stehen denn auch Religionen im harten Wettbewerb untereinander, bieten unterschiedliche Dienstleistungen an und pflegen die Dezimierung der Konkurrenz. Das ist alles in den AGBs abgedeckt.
So kann man beispielsweise wählen, ob man als Dödel mit einer Harfe auf einer Wolke sitzen oder sich doch lieber mit 72 Jungfrauen verlustieren möchte. Auf jeden Fall hat man das ewige Leben, sobald man erst einmal tot ist. Wozu man dafür erst unter die Erde kommen muss, um dann doch in den Himmel zu fahren, hat rein technische Gründe, weil Verwesungsgeruch im Paradies nicht so gerne gerochen wird. Deshalb ist unsere körperliche Ausstattung, im Paradies angekommen, ziemlich spartanisch, um nicht zu sagen, rein spirituell.
Und das schränkt die Handlungsmöglichkeiten ungemein ein. Man kann davon ausgehen, dass Schlecker auch im Himmel pleite gegangen ist, also den Einkaufsbummel kann man vergessen, vermutlich gibt es nicht mal ein Gewerbegebiet. Die Mädels fliegen auch nur spirituell herum und vermissen ihre Handtaschen. Bacardi gibt es vermutlich auch keinen und weder Internet noch Kabelanschluss –vielleicht hat SKY sich ja etabliert.
Was also soll ich auf ewig im „Paradies“?
Selbst im Pflegeheim hat man seinen geregelten Einlauf, Rollatorrennen und Krückendisco, aber selbst das scheint uns im Paradies verwehrt zu sein, sodass vermutlich nur eine kostenlose Einführung übrig bleibt, wie wir Gott als Energiequelle dienen können.
Da kann man doch wirklich vom Glauben abfallen.
Reset the World!
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Köstlich Sirius!
Und jetzt muss ich was fürs Finanzamt tun.
Bis heut Abend denne.
Jonny
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Also, ich habe viel Empirie investiert und meine (recht weit ausgeholte) Erklärung lautet: Der ganze Schlamassel fing vor 14 Milliarden Jahren an. Die Wissenschaftler haben den Beginn vom Anfang bis ca. 10 hoch minus 43 Sek. vor Bumm halbwegs im Griff, behaupten sie jedenfalls, selbst wenn sie dafür recht wüste Gleichungen benötigen, Farbteilchen, Dunkle Materie, Schwarze Energie, Strings, zinslos geborgte Energie aus dem Nichts und die Formeln letztendlich auch nicht ganz zusammenpassen.
Damals entstanden ja auch erst die Naturgesetze. Was soll z.B.: Gravitationkonstante, wenn es gar keine Dinge gibt? Wie geschrieben, irgendetwas brachte das Nichts durcheinander, aus der Singularität entstand Ungleichgewicht nebst Kausalität, keiner weiß warum, was, wie und aus was es vorher bestand – es gab noch kein Vorher, die Zeit reichte einfach nicht aus. So etwas Künstliches und Menschliches wie eine Stunde, hätte es im Präkosmos keine fünf Minuten ausgehalten. Sie wäre innerhalb von Sekunden verschrumpelt.
Einige dieser gerade entstandenen Naturgesetze mussten die Wissenschaftler natürlich übersehen, das alleine besagt schon die Stochastik. Erst 2012 kam man beispielsweise dahinter, dass mehr Rechtsdrall (7 %) gegeben ist, und das wäre eine statistische Anomalie und alle gerieten ganz außer Häuschen, aber das tun Astrophysiker, Mathematiker und ähnliche Eierköpfe sowieso ständig. Soll auch keine politische Aussage untermauern.
Exploration ist mein Schlüsselbegriff: Die Dinge neigen dazu, immer komplizierter zu werden und sich weiter auszubreiten. Das Universum fing damit sofort nach der Planck-Zeit mit Wasserstoff und Helium an und entwickelte komplexere Atome wie Lithium und Beryllium, setzte Sonnen als Kernreaktoren ein und schlappe 100 Millionen Jahre später gab es schon die meisten der uns bekannten Elemente. So ungefähr jedenfalls soll es gewesen sein, - die Details werden immer noch ausgetüftelt.
Exploration: Dinge stolpern herum, probieren aus, testen, gehen Beziehungen ein und irgendwann, wenn es kompliziert genug wird fängt irgendwas an zu zappeln und verlangt nach Leben. Kaum lebt etwas, will es Bewusstsein und Intelligenz.
Und kaum kann es denken, fragt es nach dem 'Warum'. Gibt sich nicht mit einem 'Darum' zufrieden und erschafft Götter, von denen ich mit annähernd definitiver Sicherheit weiß, dass sie weder katholisch, hinduistisch, evangelisch, buddhistisch, islamistisch, animistisch oder so sind. Vermutlich sind sie nihilistisch.
Ich glaube an ein Wunder, das, selbst wenn man es erklären könnte, dadurch nicht weniger wundervoll wird. Und dieses Wunder heißt bei mir Gott. Und das Paradies ist hier, direkt in der Hölle. Gut und Böse sind nur zwei Seiten derselben Münze.
Außerdem: Wer weiß wofür es gut ist.
Und Nordlichter sind tanzende Phönixe, das ahnt doch jeder Poet. Und Gott ist kein Buchhalter und geht auch selber nicht in Kirchen, Tempel oder Moscheen. Deswegen trifft man dort nur auf Gerüchte. Das ahnt doch jeder Mensch, der sein Hirn noch nicht komplett auf 'Off' geschaltet hat, sich den Luxus von Moral und eigenem Herantasten an das Unbegreifliche gönnt. Der sich die Lösungen nicht vorsagen lassen will - sie sind alle äußerst unwahrscheinlich und dienen nicht der Wahrheit.
Das Paradies ist hier, direkt in der Hölle
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Hallo Karl-Ludwig,
ich fürchte, das Schlamassel geht noch weiter. Im Moment favorisieren viele Wissenschaftler das Multiversum, d.h., unseres ist nur eines von vielen, und einen Urknall gibt es alle naselang. Noch schlimmer ist, dass es von unserem Universum jede Menge Kopien geben soll. In einem schreibe ich jetzt gerade gar keinen Kommentar, sondern bin bei dir zur Hanfernte eingeladen.
Also immer wenn ein Universum in sich wieder zusammenfällt, weil es keinen Bock mehr hat, weil es so verdammt flach ist, entsteht ein neues, dann braucht man sich um den Urknall nicht mehr so viele Sorgen machen.
Und die Hintergrundstrahlung meiner Mikrowelle ist nichts anderes als das Echo des Urknalls neulich, nur weiß ich nicht genau, von welchem Universum.
Diese Parallelwelten sind ja wichtig, falls wir mal in einer hopps gehen, können wir uns in einer anderen noch weiter ärgern. Und Platz ist ja genug.
Also wird irgendwo das Paradies schon dabei sein, meinetwegen auch in der Hölle.
Dankeschön für deinen ausführlichen Kommentar!
Hallo Jonny,
auch dir meinen Dank! Hoffentlich wissen die Deppen auf dem Finanzamt zu schätzen, was du für sie tust!
Sirius
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Drum lebe dein Leben hier auf Erden,
du weißt nicht; wie's kann im Himmel werden!
Hab ich mal irgendwo gelesen und es ist haften geblieben.
Hab eure kosmischen Ausflüge gern betrachtet, ihr beiden.
Diese ganzen Dinge da oben, die haben mich früher - darf man das mit fast fünfzig schon schreiben? -
fasziniert. Hab mir jede Menge Bücher aus der Bibliothek geholt und bin darin versunken.
Hin und wieder holt es mich ein, wenn ich drauf gestoßen werde.
Kurz nach dem Urknall soll das Universum etwa zehn Billionen Grad heiß gewesen sein.
Und nach 300000 Jahren soll es sich auf etwa 3000 Grad "abgekühlt" haben. (Sagt das Internet)
Und wie machen uns Sorgen wegen der paar Grad Erderwärmung...
Hab eure Beiträge sehr gern gelesen!
So und jetzt geh ich mit meinen Angolanischen Arbeitskollegen essen.
Er hat heute Geburtstag.
Das bedeutet wir werden auch trinken...
Schönen Abend euch
Jonny
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Das heißt also, Stockfisch und Palmwein für dich, Jonny. Viel Vergnügen!
Reset the World!
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Apropos Multiversum: Hat dort jeder mögliche Gott seine eigene Unerfindlichkeit, oder untersteht er womöglich einer NOCH höher gelegenen Instanz? Vielleicht einem dickes Buch, in dem geschrieben steht? Eine uralte philosophische Frage, auf die nur Philosophen und Religionstheoretiker kommen können: Darf ein allmächtiger Gott seine eigenen Gesetze brechen. Eine Frage, die einem vernünftigen Gott vermutlich noch nie in den Sinn kam. Aber wäre ein Gott vernünftig? Privat glaube ich: Ich glaube nicht.
Mir ist das eh a Schmarren. Alles ist Eins. Gottogottogott. Ooooohm...
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Ein Wissenschaftler hat mal gesagt: „Wenn Gott die Lösung ist, dann können wir einpacken.“
In jedem Universum ein eigener Gott und ein Multigott, ein Übergott? In einer Parallelwelt ein Parallelgott? Kann man auch ins Paradies im anderen Universum oder geht das nicht, weil man dort noch lebt? Und was macht so ein Gott den ganzen Tag mit seinen Toten? Vielleicht gibt es ein eigenes Universum, wo nur die Gläubigen hinkommen, sozusagen das Paradies für alle, das wäre ja die Hölle.
Ich glaube, wenn es einen Gott gibt, können wir wirklich einpacken. Ich zumindest.
Sirius
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