Verein über italienische Mafia: „Wir sind ein Geldwäsche-Paradies“
Jährlich werden in Deutschland 100 Milliarden Euro gewaschen. Die Mafia hat daran großen Anteil. Trotzdem gibt es kaum Institutionen zur Bekämpfung.
Wochentaz: Frau Raspe, Ihr Verein mafianeindanke engagiert sich gegen Organisierte Kriminalität, vor allem gegen die italienische Mafia. Warum ist das in Deutschland notwendig?
Helena Raspe: In Deutschland wird massiv Geld gewaschen. Schätzungen zufolge sind es 100 Milliarden Euro im Jahr, dem Bundeshaushalt geht dadurch extrem viel Geld verloren. Kriminelle Organisationen wie die ’Ndrangheta verdienen dieses schmutzige Geld weltweit mit Unterdrückung und Gewalt, Waffen-, Menschen- und Drogenhandel. Jede einzelne Person in Deutschland ist von den Folgen direkt betroffen.
Inwiefern?
Durch Geldwäsche und Spekulation im Immobilienmarkt steigen etwa die Mietpreise, durch den Einfluss der mafiösen Organisationen auf den Lebensmittelmarkt haben wir gestreckte Lebensmittel im Supermarkt. Dazu kommen kriminelle Aktivitäten, die weltweit unsere Lebensgrundlagen zerstören, wie illegale Entwaldung oder die illegale Entsorgung von Giftmüll. Aber auch die legale Wirtschaft wird in Deutschland systematisch unterwandert.
Wie viele Mafiamitglieder gibt es überhaupt in Deutschland?
Die ’Ndrangheta aus Kalabrien ist die größte und einflussreichste kriminelle Organisation in Deutschland. Offiziellen Zahlen zufolge sind es 505, italienische Expert:innen wie Nicola Gratteri sprechen von mehr als 3.000 Mitgliedern in Deutschland. Recherchen haben belegt, dass die ’Ndrangheta Deutschland nicht nur als Rückzugsraum, sondern auch als geostrategisch wichtiges operatives Zentrum nutzt.
Warum geschieht das ausgerechnet in Deutschland?
Deutschland ist aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage ein Paradies für Geldwäsche und damit auch für die Mafia. Es gibt kaum Gesetze oder Institutionen zur Bekämpfung der Mafia wie in Italien. Nach der Wende wurde viel in Ostdeutschland investiert, aber auch in Westdeutschland sind mafiöse Organisationen flächendeckend aktiv, etwa im Raum Stuttgart, Mannheim oder am Bodensee.
Sie sind selbst Italienerin und in Rom aufgewachsen. Wie kam es zu Ihrem Engagement in der Antimafiabewegung?
In Italien ist die Mafia ein gesellschaftlich genauso anerkanntes Problem wie der Faschismus. Dort wurde durch eine lebendige Antimafiabewegung einiges erreicht: Beispielsweise ist mafiöse Zugehörigkeit ein eigener Straftatbestand, es gibt Gesetze zur sozialen Wiederverwendung von konfiszierten Besitztümern der Mafia, jährliche Berichte der Antimafiabehörde, spezialisierte Polizeieinheiten. Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich sehr schockiert darüber, dass das Thema Organisierte Kriminalität und die Präsenz der italienischen Mafias kaum bekannt waren. Das ändert sich glücklicherweise gerade. Es ist erschreckend, wie wenig Forschung und Berichterstattung es gibt.
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https://taz.de/Verein-ueber-italienische-Mafia/!5944231/
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