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RE: Mein ältester Freund

#1 von Karl Ludwig , 21.10.2016 08:50

Ein Naturgesetz besagt, dass man sich seine langjährigen Freunde nicht aussuchen kann. Das Wesen einer langjährigen Freundschaft ist nun mal seine Dauer und die braucht Zeit. Die gibt es nicht auf Kommission. Die entwickelt sich ungeplant. Die passiert ganz von selber im Laufe der Jahre, - nicht ausschließlich zur Freude aller Beteiligten.

Mein bester und ältester Freund zum Beispiel ist ein echtes Arschloch. Nicht immer, klar, aber immer öfter. Und nun kommt auch noch der Altersstarrsinn zu seiner Rechthaberei hinzu: „Interessiert mich nicht – ich habe schon eine Meinung.“

„Ja, aber dient diese Einstellung auch der Wahrheit?“

„Interessiert mich nicht – ich habe schon eine Meinung. In diesem Fall: Mir doch egal.“

Mir Wahrheitssuchemden ist solch eine Aussage nicht nachvollziehbar. Immerhin geht es doch darum, oder? Die Wahrheit! Welch heiliges Wort mit unglaublichem Interpretationspotential – wie geschaffen um zu lügen.

Ich lernte, ihn zu durchschauen (Also meine Vorurteile auf ihn zu projizieren) und kann auch davon ausgehen, dass es umgekehrt nicht wesentlich anders ist. Und genau so, wie man bei ehrlicher Selbstreflexion Banalität und Egoismus bei sich selber diagnostiziert, so bleibt von der edlen Selbstdarstellung bei ihm nicht viel über, wenn man mal nachprokelt.

Und ja. Er hat Charisma. Die meisten ausgeprägten Psychopathen haben Überzeugungskraft, da sie nicht mit dem Descartes-Virus des Zweifels infiziert sind.

Und ja. Er war vordergründig erfolgreicher als ich, was auch daran liegen mag, dass er etwas cleverer, fleißiger und auch gemeiner war. Dabei halten mich schon etliche Leute für völlig abgebrüht. Im Prinzip kopierte ich seinen Führungsstil, als ich in der Türkei eine eigene Produktion von Innenausbauelementen der gehobenen Sorte startete: Bevor ihr mich verarscht, verarsche ich euch.

Ich kenne inzwischen fast alle seine Tricks, und wie bei einer sonntäglichen Pokerrunde unter Freunden, wo man nicht Gefahr läuft, sein letztes Hemd zu verlieren, sitzen wir manchmal zusammen und sinnieren gemeinsam in unseren privaten Sonnenuntergang: „Was lässt dich annehmen, dass … (Egal jetzt was, aber immer in der Absicht, den Interaktionspartner (Kommunikationsgegner) an die nächste Wand zu drängen) Meistens antworte ich nur: „Ja“, aber in einem Tonfall wie: „Nein, ich habe keine Lust auf deine Powerplays.“, was ihn aber erst richtig inspiriert. Z.B.: „Wir Alten sind für die Evolution ohne Bedeutung. Deswegen hat sie sich wenig Mühe gegeben. Bei dir ist das sehr deutlich.“

„Siehst du mein Gesicht? Drückt es nicht fast wortwörtlich: „Ja-ja. Red du nur?“ aus? Selbst mein Arzt kann es inzwischen deuten: „Sie wollen doch nicht mit mir über Gesundheit reden?“

„Und weil wir für die Evolution keine Funktion mehr erfüllen, hat sie auch keinen Grund gesehen, das Altern mit Lustgewinn zu koppeln.“

„Ich habe seit 'zig Jahren keinen Alkohol mehr getrunken, doch nun wird mir nach saufen.“

„Stimmt nicht. Vor zwei Jahren hast du an meinem Geburtstag Sekt getrunken.“

„Und dieses viertel Glas auf dein Wohl hätte ich bestimmt sein gelassen, wenn ich gewusst hätte, dass du mir eines Tages einen Vorwurf daraus machen wirst.“

...und so weiter. Ich liebe diesen Typ, selbst wenn er es gar nicht nötig hat und eigentlich auch nicht verdient. Den kann man auf Dauer nur ertragen, wenn man ihn liebt. Das können viele Frauen bestätigen, die ihm davon rannten. War aber bei mir nicht viel anders, also kann ich ihm daraus keinen Strick drehen.

Und da sind noch einige Kleinigkeiten: Er hat mich immer protegiert. Natürlich aus egoistischen Motiven heraus. Er hat mich quasi aus der Hippiesackgasse geführt, mir gezeigt, wie Geld gemacht wird und dass es auch noch andere nette Menschen gibt, als kiffende Säufer. Normalos! Gar nicht zu verachten. Oft sogar besser, als mein präferierter Umgang. Er hat meinen rosaroten Horizont zur Seite geschoben und mein Herz mit Diesbezug (mir fällt kein besseres Wort ein) … erfüllt.

Es gab mal eine Zeit, da unterhielten wir mit unseren, im Brustton der Überzeugung geführten Gesprächen ein ganzes Restaurant und zum Schluss quatschten alle Gäste durcheinander und es wurde viel Symposiumkeskes simuliert.

Wir haben uns sogar einmal geprügelt, weil er eine unter Depressionen georderte Pistole nicht entgegen nahm, da inzwischen keine Gründe mehr für ihre Nutzung vorlagen.

Er erfüllte mir einen Jugendtraum, und schickte mich als Projektleiter für fast ein Jahr nach China.

Wie kann ich diesen Mann nicht lieben. Rein platonisch, obwohl eine seiner Frauen mal fragte, ob wir ein homoerotisches Verhältnis hätten. Antwort: Nein, wir beschränken uns auf Hirnfick.

42 Jahre Bekanntschaft haben schon eine gewisse, eigene Masse.

(Das ist nun mai dritter Versuch. Ich bekomme dieses Thema einfach nicht in den Griff)


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RE: Mein ältester Freund

#2 von Jonny , 21.10.2016 19:09

Ich glaube, so eine Freundschaft ist etwas wertvolles, Karl-Ludwig.
Außerdem scheint es mir, dass ihr euch recht gut ergänzt...
Und du hast wieder wunderbar erzählt.
Ich schaue sehr gerne bei dir rein, wenn ich auch nicht so oft kommentiere.

Hab einen schönen Abend
Jonny

 
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RE: Mein ältester Freund

#3 von Sirius , 21.10.2016 20:14

Ich kann mich Jonny nur anschließen, Karl-Ludwig. Du schreibst sehr lebendig, es macht immer Spaß, Dich zu lesen.
Auch dieser Beitrag war wieder sehr interessant und unterhaltsam. Danke dafür!

Sirius


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RE: Mein ältester Freund

#4 von scrabblix , 21.10.2016 23:17

Dass du dieses Thema nicht in den Griff bekommst, kann ich dir nicht bestätigen. Was euch verbindet, und wie sich diese Beziehung gestaltet, hast du uns auf unterhaltsame Weise nahegebracht, Karl-Ludwig.

Liebe Lottegrüße


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Mein ältester Freund

#5 von Karl Ludwig , 22.10.2016 07:53

Erst einmal vielen Dank, für Euer positives Feedback. Heute, einen Tag später, und nachdem ich Eure Kommentare gelesen hatte, fand ich den Text selber nicht völlig misslungen. Etwas salopp, etwas fragend, etwas lustig, etwas lakonisch, etwas ernst und ehrlich (stimmt nicht, ich schärfe und verdichte), im Prinzip also alles enthalten.

Dennoch. Das Wesen einer Männerfreundschaft zu beschreiben ist mir nicht ganz geglückt. Viel passiert hinter den Worten und kann deswegen mit Worten nicht eingefangen werden. Nun, das mag ja immer so sein, aber es stört mich einfach, diese Laissez-faire-Geschichten nicht exakt beim Namen nennen zu können.

Habe ich die Saga von der Pistolenbestellung schon mal ausgehängt? Sehr typisch: Ihm laufen Frau davon, Firma drohen Pleite, er wollen sich tot schießen, bestellen eine Pistole (1.000,00 DM Provision!).

Während ich zu übel beleumundeten Kreisen im Bahnhofsviertel den Kontakt aufnahm, (Hamburg, im Anschluss an die Internorga, eine Gastronomiemesse) sicherte sich dieser Meister der manipulativen Kommunikation, dieser Presslufthammer der Rhetorik, aber ein Riesengeschäft, eine neue Geliebte und wollte deswegen die Pistole, von mir unter Lebensgefahr organisiert (So stellte ich es jedenfalls dar), nicht mehr annehmen, - wir mussten uns prügeln, was sich aber als besonders nutzlos erwies, da jeder darauf achtete, dem anderen nicht ernsthaft weh zu tun. Als wir nach dem brutalen Versuch, den Schuft einfach mit Hilfe der Masse nieder zu ringen, gemeinsam im Schlamm liegen, fangen wir an zu kichern. Und als dann seine Akut-Geliebte auch noch mit einem Eimer Wasser herbei eilt, den sie über uns ausschütten will, bekommen wir Lachkrämpfe. So kann man seine Interessen jedenfalls nicht durchsetzen und wir einigten uns auf 999.99 DM Auslöse. Das Geld haben wir dann aber gemeinsam bei einem Blitzbesuch auf der Reeperbahn verjuckelt. Gott wird es uns verzeihen.


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RE: Mein ältester Freund

#6 von Sirius , 22.10.2016 19:59

Der Text war doch nicht misslungen. Euer Verhältnis untereinander, die (egoistische) Einstellung zueinander ist nur etwas gewöhnungsbedürftig. Aber ihr seht das sicher ganz anders als ein Außenstehender.


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